»Sylvana« aufgeführt 5. September 1814

[462] »Sylvana« ging am 5., bei brechend vollem Hause, in Scene, scheint aber das Publikum sehr kühl gelassen zu haben, da weder ein Journal noch Weber selbst in den Briefen an Caroline irgend erheblichen Beifalls Erwähnung thun. Diese Theilnahmlosigkeit des Publikums erklärt sich sehr natürlich aus der Zeitströmung der Geister, die, mit ihrem großen, kräftigen, sonoren Wellenschlage, weitab von der sentimentalen Hyperromantik des Sujets der »Sylvana« lenkte, das mit all seinem Apparat von pappenen Rüstungen, gemachten Empfindungen, unnatürlichen Situationen in dem von Weltereignissen bewegten, kräftig fühlenden Volke keine sympathischen Empfindungen wecken konnte. Es mußte sogar fad und matt erscheinen und mit seinen Ansprüchen auf Erweckung von Interesse in Gemüthern, welche das[462] gewaltige Drama eben an sich hatten vorüber ziehen sehen, sogar vielleicht abweisende Tendenzen oder mitleidiges Lächeln erwecken.

Im schrecklichsten Regen stieg Weber, nach der Vorstellung der »Sylvana«, gleich Nachts noch, in den Wagen, und reiste, nach kurzem geschäftlichen Aufenthalte in Leipzig, nach Weimar durch, wo er den 9., Nachmittag um 4 Uhr, eintraf.

Es ist unzweifelhaft, daß auf dieser Reise in der Einsamkeit des Wagens, auf den der Regen monoton und unablässig herabrieselte, die bedeutsamen und neuen Regungen, welche die Zeit in Berlin in Weber erweckt hatte, ihre künstlerische Form gesucht und gefunden haben. Es ist bezeichnend in Weber's Leben, daß in fast allen Hauptmomenten seines Kunststrebens, auf einsamen Reisen, nach an- und aufregenden Zeiten, die Läuterung seiner Ideen, die Erkenntniß seiner weittragendsten Irrthümer, die Feststellung seiner allgemeinsten Richtungen erfolgte, die, einmal erkannt, er dann mit großer Festigkeit inne hielt.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 462-463.
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