Heinrich Graf Vitzthum an seinen Bruder Alexander

[527] »Karlsbad, den 15. Juli 1816.


Liebster Bruder! Deine 2 Briefe vom 6. und 12. dieses sind sehr schnell aufeinander gefolgt und hat mich der 2. über die Schicksale der deutschen Oper um desto mehr beruhigt, da ich zufällig heute Gelegenheit gefunden habe über Herrn Stögers Verdienste durch einen Mann sehr günstige Nachrichten einzuziehen, dessen Urtheil Dir wohl auch nicht zweideutig scheinen wird, wenn ich ihn Dir nenne: – es ist der Kapellmeister Maria von Weber. Dieser Mann scheint beinahe in der Absicht seinen Weg über Karlsbad genommen zu haben,[527] um meine Bekanntschaft zu machen. Dich, rühmt er sich, früher schon gekannt zu haben und eine in den letzten Tagen eingetretene Erneuerung dieser Bekanntschaft scheint seinen Wunsch, in Dresden angestellt werden zu können, sehr bekräftigt zu haben. – Der Werth dieses Mannes als Compositeur und Musikdirector ist zu allgemein anerkannt, als daß ich hätte Bedenken tragen sollen, die sich darbietende Gelegenheit zu benutzen, um mit ihm vorläufige Unterhandlung anzuknüpfen, besonders da die Anstellung eines deutschen Kapellmeisters von der Errichtung einer deutschen Oper beinahe unzertrennlich ist. – Denn, Freund Schubert ist ein guter Kirchencompositeur, aber bei seinem gänzlichen Mangel an Gefühl und Geschmack und bei dem Uebermaße an kleinlicher Partheilichkeit durchaus zur fortwährenden Direction einer Oper nicht geeignet. Webern habe ich vorläufig Hoffnung zu einem Gehalt von 1500 Thalern gemacht; er verlangte 2000 Thaler und jährlich, oder doch alle 2 Jahre, 2 Monate Urlaub zu einer künstlerischen Reise. Morgen will er mir sein Ultimatum bringen; ich vermuthe, er werde auf 1800 Thlr. stehen bleiben. Zur Erleichterung und Abkürzung des Geschäfts würde es sehr gereichen, wenn Du sofort mit dem Minister8, oder vielleicht lieber gleich mit dem Könige sprechen, die Nothwendigkeit einen ausgezeichneten deutschen Künstler dieser Art anzustellen, kräftigst auseinandersetzen, die anerkannten Verdienste des Individum's gehörige Licht stellen und eine Autorisation für mich auswirken wolltest, mit dem Manne, vom Monat September d.J. an, wo sein Contract in Prag zu Ende geht, abzuschließen. etc.«

»Du fühlst selbst, daß man einem solchen Mann, einen solchen Anstand nur auf kurze Frist ansinnen kann; et puis il faut forgé le fer, pendant qu'il est chaud. – Ich leugne nicht, daß ich die Anstellung desselben sehr wünsche, da seine große Bekanntschaft mit der deutschen Musik, und mit fast allen deutschen Bühnen und mit dem eigentlichen Theater-Wesen, mir die Organisation der deutschen Oper und die künftige Erhaltung derselben in hohem Ansehn und daher auch in großem Nutzen für die Kasse, fast in demselben Maaße erleichtern[528] würde, wie mir solches durch Polledro's Anstellung für die italienische Oper und die Kirchenmusiken gelungen ist. – Ueber letzteres ist unter den vielen hier zusammentreffenden Musikkennern und Fremden nur ein Rühmens, und zugleich allgemeine Stimme, daß Sachsen jetzt mehr als je die vielen ihm zu Gebote stehenden Hülfsmittel benutzen sollte, um sich immer mehr durch Ausbildung der Künste und Wissenschaften auszuzeichnen, da jede andere Art sich Ruhm und Ansehen zu verschaffen, verloren für uns ist. etc.

Heinrich.«


»Karlsbad, den 17. Juli 1816.


Liebster Bruder. Fortgesetzter Umgang mit Herrn von Weber, und immer mehr erlangte Ueberzeugung, welches ausgebreiteten Rufes derselbe als Compositeur, als Musik- und Theaterverständiger, als Dirigent der deutschen Oper, und als sittlich und wissenschaftlich gebildeter Mann genieße, dringt mir gegenwärtige nochmalige Aufforderung ab, ja alles anzuwenden, um meinen Antrag wegen dessen Anstellung in Dresden ja nicht sinken zu lassen: nach seinen letzten Aeußerungen wird er sich mit 1500 Thlr. Gehalt und einem angemessenen freien Quartier oder Aequivalent dafür, begnügen lassen und das ihm zu reichende Reisegeld bei der geringen Entfernung Prags auch nicht von Bedeutung sein dürfen, derselbe aber auch den Kirchendienst abwechselnd mit übernehmen. Dadurch treten dann wohl bei vermehrter Dienstleistung (wegen der deutschen Oper) im Personal des Kapellmeisters nun die früheren Verhältnisse wieder ein, und Webers Anstellung würde wahrscheinlich die außerdem unvermeidliche Annahme eines eigenen Musikmeisters für die deutsche Oper entbehrlich machen. Uebrigens setzt derselbe einen hohen Werth auf die Hoffnung bei Schaffung dieses neuen Instituts mitwirken zu können und seine große Personal-Bekanntschaft an allen deutschen Bühnen würde die dießfallsige Recrutirung unendlich befördern. – Herr Brühl hat ihm bereits die bestimmtesten Anträge zu gleichmäßiger Anstellung in B. gemacht und nur eine dazwischen getretene anderweite Empfehlung des Fürsten Radziwill hat die Sache rückgängig gemacht; auch von Seiten Leipzigs stellt man ihm nach, er hat aber diese Anträge ganz[529] abgelehnt, weil er sich mit keinem privat Entreprise weiter einlassen will. etc.


Heinrich.«


Des Grafen Heinrich Vitzthum klarblickender, edler, von keiner Seite genug gewürdigter Geist, spiegelt sich deutlich in diesen Briefen ab.

Quelle:
Weber, Max Maria von: Carl Maria von Weber. Ein Lebensbild. Band 1, Leipzig: Ernst Keil, 1864, S. 527-530.
Lizenz:
Kategorien: