II. Der Teufel ist unfähig, Adam zu beleben.

[90] Während in dieser Tradition die Gottheit selbst den Körper des Menschen schafft und beseelt, zeigt eine andere arabische Erzählung die dualistische Tendenz, den Teufel als Gegner des Schöpfungswerkes darzustellen.


Hiernach ging Gott erst einige Zeit, nachdem ihm die zur Erschaffung Adams notwendige Erde vom Todesengel überbracht worden war, ans Werk. Inzwischen sandte die Sonne ihre Strahlen auf diese Erde und trocknete sie. Sodann schuf Gott Adam daraus und gab ihm dieselbe Gestalt, die wir jetzt haben. So blieb Adam auf seinem Platze vierzig Jahre lang ausgestreckt liegen (wobei auf den Koran, Sure 76, v. 1 verwiesen wird). Niemand dachte an ihn, und man wußte nicht, was für ein Geschöpf das war. Da ging Hâreth (Satan) zu ihm heran und betrachtete ihn, wie er dalag in so gewaltiger Größe, daß sein Leib von Morgen bis Abend reichte. Der Lehm, aus dem er geschaffen war, war etwa gleich trockenen Palmästen geworden. Und ebenso wie zwei Palmzweige, wenn man sie gegeneinander schlägt, einen Ton von sich geben, so ertönte auch der trockene Lehmkörper Adams, als Hâreth ihn anstieß. Hâreth erstaunte darüber, prüfte die Gestalt aufmerksamer und fand, daß ihr Inneres leer war. Da kroch er durch den Mund hinein, und als er wieder herausgekrochen war, sprach er tückisch zu den Engeln: Das ist nichts, weil sein Inneres leer ist; und jedes Ding, dessen Inneres leer ist, kann zerbrochen werden. Hat Gott diesem Geschöpf die Herrschaft über die Welt gegeben, so will ich es bekämpfen und ihm die Erde nicht geben, sondern es daraus verjagen, wie ich das Geschlecht der Dschinnen verjagt habe: was meint ihr? [Aber die Engel ließen sich nicht bewegen von Gott abzufallen, der sie unter Adams Herrschaft gestellt hatte, und als Hâreth das erkannte, änderte er seine Rede und sprach: Ihr habt recht; auch ich denke, wie ihr; ich habe euch nur prüfen wollen.]

Als Gott Adam beleben wollte, befahl er der Seele, in den Körper einzudringen. Die Seele drang durch den Schlund bis zur Brust und zum Bauch ein, und überall, wohin sie kam, wandelte sich der Lehm zum Körper um. Als die Seele in Adams Haupt gelangte, nieste dieser und sprach: Gepriesen sei Gott! Gabriel sprach: Gott sei dir barmherzig. Adam wandte das Haupt und sah das Paradies mit den Wonnen, die es umschloß.1[90]


Der ursprüngliche Sinn dieser Sage scheint sich hier verflüchtigt zu nahen. Er kann wohl nur der gewesen sein, daß Hâreth Gottes Geschöpf durch Hineinkriechen beleben und so die Macht darüber gewinnen wollte. Diese Absicht stimmt jedenfalls zu den Worten, die er an die versammelten gottgetreuen Engel richtet: er will, da sein Versuch mißlungen ist, auf andre Weise dem Menschen entgegenarbeiten. Andrerseits wäre das Hineinkriechen ohne solche Absicht törichte Neugier und Spielerei.

Zu dieser Art der Belebung vergleiche man außer der jesidischen Sage auch eine amerikanische, die wahrscheinlich ebenso wie die kosmogonischen Sagen des 1. Kapitels von Asien zu den Indianern gewandert ist:


Metowac, oder Die lange Insel, war früher eine ungeheure Ebene, die, da die See sie einmal überspült hatte, sehr gleichmäßig war und wie ein großer Sandtisch erschien. Auf dieser Ebene machte der Große Manitto, der Herr des Lebens, seine Schöpfungen ungestört, denn die See umgab ihn auf allen Seiten. Hier bildete er jene frühen Geschöpfe, die von so ungeheurer Größe waren, daß er es schwierig fand, sie zu beherrschen, er gab jedem gewisse Gesetze, bis er ihr Leben wieder zurücknahm. Hier machte er oft die Probe mit seinen Schöpfungen, er gab ihnen Leben und setzte sie auf der Insel in Bewegung; gefielen sie ihm nicht, so zog er ihr Leben zurück, ehe sie sich davonmachten. Man sieht noch jetzt kleine Stücke oder grüne Büschel auf der Insel, die daher rühren, daß der Große Manitto ungeheure Vierfüßler begonnen hatte, und da sie seinem Zweck nicht entsprachen, sie an demselben Orte wieder zerstörte. Er bildete aber die Tiere auf folgende Weise: Er legte vier Lehmkuchen in einiger Entfernung auf die Erde und arbeitete langsam nach oben zu, so wie man ein Kanoe baut. Nachdem das Tier beendet war, trocknete er es lange Zeit in der Sonne,2 dann öffnete er dessen Seite, kroch hinein und blieb viele Tage in ihm. Wenn er wieder herauskam, so schwankte das zitternde Geschöpf hin und her und erschütterte die Insel durch seine Bewegung. Gefiel seine Gestalt dem Manitto, so durfte es sich nach der Nordseite der Insel begeben und über die See hinweg das gegenüberliegende Ufer erreichen.

Einst beschäftigte Manitto sich lange mit einem Geschöpf von wunderbarer Größe, was die kleinen Manittos, die ihn oft besuchten, sehr interessierte noch mehr aber die Puckwudjinnies und Nibanabas, die dabei herumspielten. Das Geschöpf wird nun sehr ausführlich beschrieben, Manitto tut Feuer hinein, er mag aber nicht hineingehen. Dann gibt er ihm etwas Leben, nimmt aber das Feuer nicht heraus. Es gefällt ihm nicht, er wirft es fort und vergißt das Leben herauszunehmen, so entsteht der böse Geist.


  • Literatur: Emerson, Indian Myths, 1890 p. 153. Sage der nordwestlichen Mississippi-Stämme.

Wenn unsere Vermutung richtig ist und die arabische Sage in der Tat den Versuch der Beseelung darstellt, so ergibt sich die höchst [91] wichtige Idee der Unfähigkeit des Teufels, die Geschöpfe Gottes zu beleben.

Fußnoten

1 Tabarî ed. Zotenberg 1, 74 Vgl. Hammer, Rosenöl S. 20.


2 Zum Trocknen des Lehmkörpers vor der Beseelung vgl. Brinton, Myths of the New World 225: Der Herr des Odems machte in seiner Höhle die ersten Menschen aus dem Lehm um ihn herum, und da damals die Gewässer die Erde bedeckten, hob er das Gemäuer, um sie darauf zu trocknen. Als der weiche Schlamm sich zu elastischem Fleisch und festen Knochen verhärtet hatte, bannte er die Gewässer in ihre Kanäle und Betten und gab den trocknen Erdboden seinen Geschöpfen.


Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 92.
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