13. Einzelnes.

[291] Nachdem wir alle diejenigen Sagen besprochen haben, die entweder durch geschichtliche Beleuchtung den Ausblick in ferne Vergangenheit eröffnen oder sonstwie in größeren Zusammenhang gestellt werden müssen, schließen wir noch solche an, die vereinzelt dastehen. Zunächst zwei Geschichten, die nur ganz äußerlich, um sich einen gewissen Aufputz zu geben, an die Arche anknüpfen.


[291] Die eine erklärt, warum das Maultier unfruchtbar ist, und der Hase keinen Schwanz hat: Als alle Tiere aus der Arche herausgingen, gab das Maultier dem Hasen einen Hufschlag und hieb ihm den Schwanz ab. Noah sagte zu ihm: Da du versucht hast, den Hasen zu vernichten, wirst du bestraft werden. Du wirst dein Geschlecht nicht fortpflanzen.1 – In einer anderen Fassung gibt das Maultier am Anfang der Dinge, als Gott die Tiere schuf, dem Hasen ohne Grund jenen Schlag und wird deshalb in der genannten Weise bestraft.2

Die zweite Geschichte ist ein höhnischer Schwank, der sich gegen die Deutschen kehrt: Als Noahs Arche sich auf dem Berge niederließ und alle Tiere aus ihr hinausgingen, kam ein Hündlein an seine Füße gelaufen, schmeichelte sich an, legte den Kopf auf seine Knie, leckte die Hand. Noah verstand anfangs nicht, was der wollte. Als er aber merkte, daß jener an starker Verstopfung leide, holte er sich einen Lattenbohrer und bohrte ihm das zugewachsene Hinterteil auf. Aus diesen Spänen entstan den die Deutschen.3


Ferner wird in Ungarn erzählt, Noah habe den Tieren, als er sie aus der Arche entließ, jedem den Namen gegeben. Das ist, wie aus mehreren jüdisch-arabischen Zeugnissen hervorgeht, eine Verwechslung mit Adam.

Wenn es im Volksmunde der Esten4 heißt, daß das Schäumen des Bieres beim Gären daher komme, weil Noah mit dem Schaum eines Ebers zuerst das Bier zum Schäumen gebracht habe, so liegt hier eine Übertragung aus der heidnischen Mythologie vor. Vgl. Kalewala 20, 167, wo Osmatar seinem Getränk den Schaum des Bären beimischt.

Endlich möge ein bulgarisches Märchen erwähnt werden, das zwar von einer Sündflut erzählt, im übrigen aber als ein Widerhall der Sage von Lot zu gelten hat. Ein Priester wird von einem Propheten vor der kommenden Sündflut gewarnt und aufgefordert, mit seiner Frau und seinen Töchtern die Stadt zu verlassen. Doch dürften sie sich nicht umsehen. Da die Frauen es dennoch tun, verflucht sie der Priester, und sie verwandeln sich in einen Bären, einen Affen und eine Nachtigall. Darum gleichen diese Tiere den Menschen, weil sie menschlichen Ursprungs sind.5

Fußnoten

1 Revue des trad. pop. V, 244 = Archivio VI, 571 (aus Nivernais). Sébillot, Folk-lore de France III, 8.


2 Ebenda.


3 Jurkschat I, 51, Nr. 16.


4 Wiedemann, Aus dem inneren und äußeren Leben der Ehsten S. 459.


5 Schischmanoff Nr. 16.


Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 292.
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