4. Sage von den Delphinen.

[330] Eine Sage der Suaheli lautet wie folgt:


Zuerst gab es keine Delphine. Aber da war einmal der Prophet Salomo, der Herrscher. Das war ein gewaltiger König, und er herrschte über alle Dinge in der Welt: Menschen, Dämonen, Tiere, Winde. Und seine Königsmacht lag in seinem Ringe.

Und eines Tages war der Prophet Salomo nicht aufmerksam, und es kam ein Dämon und stahl ihm seinen Ring und trug ihn, bis er ihm eines Tages ins Meer fiel. Und das ist der Grund, weshalb es im Meer Delphine gibt.[330] Denn als Gott sah, daß der Ring des Propheten Salomo von einem Dämon gestohlen war, und daß er dem Dämon in die See gefallen war, da schickte er die Delphine, um den Ring des Propheten Salomo zu suchen. Deshalb tauchen nun die Delphine immer in der See auf und nieder. Sie suchen nämlich noch immer den Ring. Und Gott weiß es am allerbesten.

Denn der Ring ist schon längst wieder zum Vorschein gekommen, aber sie suchen noch immer nach ihm, und sie hören auch nicht auf, nach ihm zu suchen, bis auf den Tag der Auferstehung.


  • Literatur: Büttner, Lieder und Geschichten der Suaheli, S. 126.

Den Ursprung dieser Sage, deren Ätiologie rein willkürlich in den Stoff hineingetragen ist, hat man in mohammedanischen Volksüberlieferungen zu suchen, wie sie z.B. Weil, Biblische Legenden, S. 225 f., 231, 271 anführt:


[Vier Engel überreichen Salomo je einen Edelstein. Diese sichern ihm die Herrschaft über die Geschöpfe, Land, Wasser, Wind und die Geister.] Als Salomo nach Hause kam, ließ er die vier Steine, die ihm die Engel geschenkt, zusammensetzen und einen Siegelring daraus machen, um jeden Augenblick von seiner Herrschaft über das Tier- und Geisterreich, über die Erde und den Wind Gebrauch machen zu können ... [Als Salomo nun einst gesündigt hatte, beschloß Gott, ihn 40 Tage lang dafür büßen zu lassen.] Salomo kehrte eines Abends nach Hause zurück und gab wie gewöhnlich einer seiner Gattinnen seinen Siegelring zur Aufbewahrung. Da nahm der Djinn Sachr seine Gestalt an und ließ sich den Ring von ihr geben. Als Salomo selbst ihn wieder forderte, wurde er verlacht und vertrieben. Neununddreißig Tage lebte er bettelnd und sich von Pflanzen nährend. Am vierzigsten Tage aber ging die Herrschaft Sachrs zu Ende. Man hatte Verdacht geschöpft, und einige in der Tora lesende Schriftgelehrte vertrieben den Djinn, der sich im Fluge an das Meeresufer begab, wo ihm der Siegelring entfiel. Ein Fisch verschlang ihn. Diesen Fisch erhielt Salomo als Lohn für seine Tagesarbeit, und als er ihn verzehrte, fand er seinen Siegelring wieder. Da läßt er sich sogleich vom Winde nach Jerusalem tragen ... verkündet allen, wie ihm geschehen ... und läßt Sachr in eine Flasche sperren, die er versiegelt und in den See Tiberias wirft. Dort muß er bis zur Auferstehung bleiben.

Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 330-331.
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