17. Kapitel.

Sagen von Salomo.

[320] Unter den zahlreichen Sagen, die der Orient um die machtvolle Herrschergestalt Salomos gewoben hat, sind einige mit naturdeutender Ausschmückung versehen worden, und es ist lehrreich und anziehend, auch hier wieder zu beobachten, wie der Volksgeschmack den alten Stoff durch einige Neuheit der Form zu beleben verstand.

Zur Einführung in den salomonischen Sagenkreis diene zunächst eine Stelle aus Hammer, Rosenöl S. 147 ff.


Suleiman, den wir Salomo nennen, Prophet und König zugleich, wie sein Vater David, ist der größte Weltbeherrscher, dessen die Geschichte alter und neuer Zeiten erwähnt. Ihm war die Herrschaft gegeben, nicht nur über die Menschen und Tiere, sondern auch über die Dschinnen und Peris; er war der Herr und Meister der Körper und der Geister. Er war mit Gaben und Vorzügen ausgezeichnet, die keinem seiner Vorfahren und Nachfolger zuteil geworden. Er besaß den Siegelring, dessen Zaubermacht ihm die Herrschaft über die Geister verlieh. Statt eines Reitpferdes diente ihm der Ostwind, der ihn auf sein Geheiß in einem Augenblicke über weite Strecken führte (S. 147).

In dem Reichspalaste saß Salomo zu Rat auf seinem Throne, der von Dschinnen in Tiergestalten getragen und von den Vögeln überschattet1 ward ...

Die beiden ersten Wesire Salomos waren Assaf, der Repräsentant des Menschengeschlechtes, und Simurg, der Repräsentant des Vogelgeschlechtes. –

Wenn sich die Dschinnen bei dem ihnen aufgetragenen Bau von Istachar und Tadmor2 widerspenstig bewiesen, so ließ Salomo sie zwischen zwei Marmorblöcke einzwängen und so als Grundstein dieser ungeheuren Gebäude legen. Von Zeit zu Zeit regen sie sich mit höchster Kraftanstrengung, um die Grundfesten, die so schwer auf ihnen lasten, zu erschüttern, aber ungeachtet der vielfältigen Erdbeben, die sie hierdurch seit Salomos Zeit hervorgebracht, trotzen diese Gebäude ihrem ohnmächtigen Bemühen. Andere empörte Dschinnen schloß er in metallene Töpfe ein, die er mit seinem Ring versiegelte und dann in den Grund des Meeres werfen ließ. So beherrschte Salomo die Geister (S. 151).

Fußnoten

1 Vgl. Hammer, S. 180.


2 Siehe auch Kalonymus, S. 49.

Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912.
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