a) Entstehung der Smaragde. (Aus Indien.)

[334] Einem Kaiser wurde einst erzählt, daß der König der Dschinnen ein großes Gefäß habe; das sei aus einem sehr kostbaren Stein und so groß, daß ein Kind darin baden könne. Der Kaiser gewann durch Beschwörung Macht über die Dschinnen und befahl, daß man ihm das Gefäß bringe.

Der König der Dschinnen gab es einem der Seinigen und hieß es ihn schnell dem Kaiser bringen. Der Dschinn nahm das Gefäß und flog damit durch die Luft, aber auf halbem Wege begegnete er einem Dämon. Dieser[334] versuchte, ihm das Gefäß zu entreißen, aber der Dschinn widerstand ihm. In dem Kampfe ließ er das Gefäß los, und es fiel auf die Erde und zerbrach in 10000 Stücke, und diese Stücke sind die Smaragde, die es jetzt auf Erden gibt.


  • Literatur: Thornhill, Indian Fairy Tales, p. 287.

Es ist zwar unerweislich, ob hier ein Zusammenhang mit dem Salomonischen Sagenkreis vorliegt, doch scheint die auffallende Ähnlichkeit mit der schon oben S. 1841 angeführten Sage von Salomo und Aschmedai nicht auf bloßem Zufall zu beruhen. Auch dort erhält ein König einen kostbaren Stein, den ein Dämon ihm verschafft; auch dort fallt der Stein zu Boden, freilich zerbricht er nicht, aber hier drängt sich eben die Naturdeutung ein, indem sie den echten Schluß – die Überbringung des Steines – durch eine überraschende Pointe1 ersetzt.

Fußnoten

1 Zur Vergleichung mit dieser Pointe sei hier ein kreolisches Märchen von der Insel Mauritius angeführt. Es erzählt, warum die Diamanten so selten sind:

Ein Mann schenkte seiner Frau vier Glocken, eine aus Kupfer, die andere aus Silber, die dritte aus Gold, die vierte aus Demant; sie sollte sie läuten, wenn ihr in der Abwesenheit des Mannes eine Gefahr zustoße; vor allem aber sollte sie sich hüten, die demantene zu läuten, wenn sie nicht in größter Not sei. Aus Langerweile läutete sie alle vier, und als sie dann wirklich, in Lebensgefahr ist, nämlich von einem Wolf überfallen wird, versagt die Glocke den Dienst Der Wolf verschlingt sie. Es gelingt dem Mann, den Wolf zu zwingen, die Frau wieder von sich, zu geben. Doch, der Wolf sagt dann, ganz unvermittelt: »Von nun an soll der Diamant nicht mehr auf der Oberfläche der Erde verstreut liegen. Um ihn zu erlangen, müssen die Menschen tiefe Gänge graben.« Seitdem ist der Diamant selten geworden, und um nur ein kleines, kleines Stückchen zu besitzen, müssen die Damen viel, viel Gold und Silber geben.

Nach Baissac, Le Folklore de l'île Maurice.


Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 335.
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