[153] Eine dritte Sagenform, die in Grimms Märchen vom Armen und Reichen vorliegt, verbindet mit der Haupthandlung des Märchens von Philemon und Baucis, der Götterwanderung, der Gastlichkeit der Armen und der Bestrafung der Ungastlichen, ein neues Motiv. Wenn nämlich dem greisen Ehepaar des phrygischen Märchens zum Schlusse ein Wunsch vergönnt wird, der – abweichend von der vorigen Sagenform – nichts mit der Überschwemmung zu tun hat, so konnte leicht im Anschluß hieran ein neuer Sagenkreis übergreifen, der seinerseits wieder viele Varianten umfaßt, der Sagenkreis von den drei Wünschen, »die nur bei den Guten heilbringend sind, bei den Schlechten jedoch nachteilig oder wenigstens unfruchtbar. Der damit Begnadigte ist genötigt, sie aufzubrauchen, um nur seinen früheren Zustand wieder zu erlangen« (vgl. Benfey 1, 497). Das Motiv von Philemon und Baucis und der Entstehung des Sees ist indes so locker mit dem Motiv von den drei Wünschen verbunden, daß man z.B. in dem genannten Grimmschen Märchen ohne weiteres zwei selbständige Teile erkennt. Der zweite Teil findet sich unverbunden in Erzählungen, wie der folgenden litauischen:
Zwei arme alte Leute unterhalten sich beim Abendbrot über ihr kärgliches Leben. Da kommt ein alter Bettler (der liebe Gott), wird gastlich aufgenommen und erlaubt ihnen drei Wünsche, »aber das beste Teil vergesset nicht!« Die Frau wünscht sich eine Wurst auf den Teller. Der Mann wird zornig: »Wenn dir doch die Wurst lieber an der Nase angewachsen wäre!« Als drittes wünscht er die Wurst wieder weg. »Mit drei Wünschen bekamen sie Wurst kaum zu riechen. So geht's, wenn der Mensch dumm ist.«
Im übrigen vgl. über die drei Wünsche, die außerhalb unserer Aufgabe liegen, Benfey, Pantschatantra 1, § 208 und Bédier, Les fabliaux p. 177–193. Die abschließende Arbeit über dieses Thema ist von Johannes Bolte zu erwarten.