V. Sagen von bevorrechtigten Tieren.

[215] 1. Aus Birma.


Zu Schin-tai, dem Löwenkönige der Tiere, kamen alle Bewohner des Waldes, um ihm ihre Huldigung darzubringen. Auch die kleine Ameise erschien, sich vor ihm zu verneigen, aber die Edelleute trieben sie verächtlich hinweg. Als der Ameisenkönig davon hörte, geriet er in Zorn und schickte einen Wurm, sich in das Ohr des Löwen einzuschleichen und ihn zu quälen. Da erhob dieser ein schreckliches Schmerzgebrüll, und sogleich kamen die Tiere von allen Seiten herbeigelaufen, boten ihre Dienste an und wollten den Feind bekämpfen, wo und wer er auch sei. Aber keiner konnte Hilfe leisten. Zuletzt ließ sich der Ameisenkönig, an den der Löwe viele demütige Botschaften gesandt hatte, bewegen, daß er einen seiner Untertanen schickte. Der kroch in das Ohr hinein und holte den Wurm heraus. Seit der Zeit haben die Ameisen das Vorrecht, überall und an jedem Platze zu leben, während den anderen Tieren ihre Aufenthaltsorte angewiesen sind.


  • Literatur: Nach Ad. Bastian, Globus 10, 83 = Östl. Asien 2, 242 = Grässe, Märchenwelt, S. 92.

2. Aus Livland und Estland.


Sagen, warum die Fliegen das Vorrecht haben, an aller Herren Tischen zu essen: s. Bd. 1, 144 und oben S. 109.

Quelle:
Dähnhardt, Oskar: Natursagen. Eine Samlung naturdeutender Sagen, Märchen, Fabeln und Legenden, 4 Bände, Leipzig/Berlin, 1907-1912, S. 215.
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