A. Erweiterung durch das Motiv des Brunnengrabens.

[38] 11. Märchen der Osage.


Es waren einst Leute, die einen Brunnen gruben. Abends gingen sie nach Hause, und ein Kaninchen kam daher, um von dem Wasser zu trinken. Am nächsten Tage kamen die Leute wieder, um am Brunnen zu arbeiten, und sahen die Spuren des Kaninchens. Da überlegten sie, was zu tun sei. Als es Abend wurde, gingen sie wieder nach Hause und sagten, wenn das Kaninchen noch einmal käme, wollten sie es verfolgen. Das Kaninchen kam wieder, und sie sahen seine Spuren, als sie zur Arbeit gingen. Da sagten sie: »Wir müssen dem Kaninchen etwas antun.« Also zeichneten sie (!) das Bild eines Mädchens und ließen es dort stehen. Dann gingen sie nach Hause. Das Kaninchen kam zum Brunnen zurück, sah das Bild des Mädchens und sagte, es wäre sehr durstig. Das Mädchen hörte ihm zu, aber es erwiderte nichts. Da sprach das Kaninchen: »Mädchen, ich will trinken; du hörst mich doch, du sollst mir zu trinken geben. Wenn du's nicht tust, werde ich dich halbtot schlagen.« Das Kaninchen schlug das Mädchen mit dem rechten Fuß, es blieb an ihm hängen. »Laß mich los,« sagte das Kaninchen, »oder ich schlage dich mit meiner anderen Hand.« Und das Kaninchen schlug das Mädchen mit seinem linken Fuß, – der blieb an ihrem Gesicht hängen. Das Kaninchen sprach: »Laß mich los, oder ich schlage dich, und das tut dir weh.« Da schlug es mit dem rechten Fuß, und der blieb hängen. Es sagte: »Laß mich los, oder ich schla ge dich mit dem linken Fuß, und das wird sicher weh tun.« Das Kaninchen schlug mit dem linken Fuß, und der blieb am Bilde hängen. Es sagte: »Wenn du mich nicht losläßt, beiße ich dich.« Es biß, und sein Maul klebte fest. Als die Leute zur Arbeit kamen, sahen sie das Kaninchen hängen und sagten: »Seht, dahaben wir es!« Dann warfen sie das Kaninchen und das Bild fort.


  • Literatur: Dorsey, Traditions of the Osage, S. 24.

Dem kriegerischen Sinn der Indianer lag indes ein anderes Motiv näher, als das der verlockten Begierde. Er machte das verhängnisvolle Bild zu einem Feind, dessen Anblick zum Zugreifen herausfordert.

Quelle:
Dähnhardt-Natursagen-4, S. 38.
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