CIII.

[217] Mamun übergab eines Tages seinem Poltzeydirektor Abbas einen Gefangenen in strenge Verwahrung. Der Gefangene erzählte: er sey aus Damaskus gebürtig, nun aber aus Egypten, wo er an einem Aufstande Theil genommen hatte, entflohen. Beym Namen Damaskus brach Abbas in dankbare Lobeserhebung eines seinigen dortigen Wohlthäters[217] aus, der ihm in stürmischen Zeiten das Leben gerettet und davon geholfen hatte. Es fand sich, daß der Gefangene sein Wohlthäter war. Abbas, ungeachtet er mit seinem Kopf für den Gefangenen haftete, weilte keinen Augenblick, die Schuld der Dankbarkeit abzutragen, und ließ seinen Wohlthäter entfliehen.

Am nächsten Morgen ward Abbas in den Pallast berufen. Er gieng hin, in ein Leichentuch eingewickelt. Wo ist der Gefangene? – Herr, das Leichentuch ist meine Antwort. Ich habe mein Leben verwirkt, weil ich seines gerettet. Ich trage Schuld, weil ich die der Dankbarkeit abtrug. Der Chalife ließ sich die Geschichte erzählen, und gerührt von der Großmuth der Gesinnungen, schenkte er beyden das Leben und was dazu gehört, desselben froh zu werden. Großmuth und Dankbarkeit belohnen sich schon gegenseitig, und werden oft noch von der Welt belohnet.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 217-218.
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