Achtzehnte Erzählung.
† (53).
Von einem schwarzen Rosse.

[202] Es war einst ein Mann zu Rom gewaltig, der hieß Antiochus, und es war in denselbigen Zeiten auch ein Ritter, der Leontius hieß. Derselbige Ritter hatte aber ein kleines Gütchen nahe bei der Besitzung des vorhin genannten Römers, welches sein Gebieter gern gehabt hätte. Nun dachte der immer darüber nach, wie er dem Ritter sein Land abgewänne und Herr desselben würde, und rief den Ritter zu sich und sprach mit ihm und sagte: gehe hin, verschaffe mir ein schwarzes Roß, einen schwarzen Hund, einen schwarzen Falken und ein schwarzes Jagdhorn, also daß ich heute über acht Tage Alles in meinen Händen habe, thust Du das nicht, so hast Du Dein Land verloren. Wie das der Ritter vernahm, da ward er gar traurig, denn er wußte nicht, wo er das hernehmen sollte, und kam heim zu seiner Hausfrau, die unsere liebe Frau gar lieb hatte. Die sprach zu ihm: gehe hin zu dem ersten besten Priester und beichte, und wenn Du selbiges gethan hast, dann bleib bei einer Messe, und Gott wird Dir seine Hilfe verleihen. Der Ritter aber beichtete Alles lauter und rein, und damit ritt er durch den Wald traurig hin und her, zuletzt kam[202] er an einen Graben, an dem sahe er einen Mann sitzen, der einen Stab in der Hand hielt. Derselbige alte Mann aber sprach zu ihm: mein Lieber, von wannen kommst Du, oder wo willst Du hin? Da antwortete er: Herr, ich komme aus der Kirche und wo ich hin will, das weiß ich gar nicht. Da sprach der alte Mann zu ihm: nimm diesen Stab und folge diesem Wege hier, kehre Dich aber weder zur rechten noch zur linken Seite, da wirst Du von ferne eine Feste erblicken, die gar schwarz aussieht, und wenn Du dahin kommst, so gebiete den Leuten daselbst von meiner Seite, daß man Dir gebe was Du bittest, und sprich also: der des Stabes Herr ist, der gebeut, daß man mir gebe ein schwarzes Roß, einen schwarzen Hund, einen schwarzen Falken und ein schwarzes Jagdhorn, und wenn Du das Alles hast, so gehe nicht hinauf, wenn sie Dich auch hinauf laden, und blase auch nicht auf dem Horne, lasse auch den Hund nicht laufen, noch den Falken fliegen, sondern bringe es Alles zusammen Deinem Herrn und überantworte mir meinen Stab wieder, wenn ich Dich darum bitte. Der Ritter aber nahm den Stab und ging drei Tage lang, am dritten Tage sah er aber eine schwarze Burg in der Ferne. Wie er aber in die Nähe derselben kam, da begegneten ihm vier Wappner, wohl gewaffnet und sprachen zu ihm: Herr, wohl bekomme es Dir, gehe in die Veste hinauf und lasse Dir eine Mahlzeit gefallen. Der aber antwortete: mit Nichten, ich komme nicht in das Haus, allein der Herr dieses Stabes gebeut, daß Ihr mir ein schwarzes Roß, einen schwarzen Hund, einen schwarzen Falken und ein schwarzes Jagdhorn gebet. Da antworteten sie: wir müssen dem Herrn unterthänig seyn, und sie gaben ihm allsogleich das, was er gebeten hatte, und sprachen zu dem Ritter: es wird Dir gut seyn, wenn[203] Du Dich auf das Roß setzest und in das Hörn stößest. Da antwortete der Ritter: das thue ich nicht. Hierauf nahm er das Roß und den Hund an eine Hand, den Falken an die andere, das Horn aber um den Hals und kam also zu dem alten Manne gegangen und gab ihm seinen Stab wieder und dankte ihm, der alte Mann aber verschwand aus seinen Augen. Nachdem ging aber der Ritter zu dem König und gab ihm das Alles zusammen, was er von dem Ritter gefordert hatte. Wie aber der König hörte, daß der Ritter gekommen sey und ihm das Alles gebracht habe, da freuete er sich sehr, und da er also da saß, da hörte er die Hunde bellen, und er fragte, was das wäre. Da antworteten sie ihm und sprachen: Herr, es ist ein Hirsch, dem jagen die Hunde nach. Da sprach der König: führt mir mein schwarzes Roß her, daß ich mich darauf setze, und den schwarzen Hund und auch den schwarzen Falken setzet auf meinen Arm und das schwarze Horn hängt mir um den Hals. Wie er aber den Hirsch ersah, da bließ er in das Horn und sprengte mit dem Rosse davon und der Hund jagte ihm nach. Der Hirsch aber lief geraden Weges in die Hölle, der Hund mit samt seinem Herrn, der den Falken trug und das Horn am Halse hatte, die jagten dem Hirsche nach in die Hölle hinein, und darnach wurden sie nimmermehr gesehen ewiglich.

Quelle:
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. 3. Auflage, Unveränderter Neudruck Leipzig: Löffler, Alicke 1905, S. 202-204.
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