Erste Geschichte

geschah: Er sagt, Rabbi Jehauschue ben Lewi: In der Zeit, da der Heilige, gelobt sei er, hat die Thauroh (Lehre) gegeben an Mojsche Rabbenu (unser Lehrer Moses), un Mojsche Rabbenu war wieder vom Himmel herabgeniedert, da kam der Satan un sprach: »Herr all der Welt, wo hast du die Thauroh hingetan, wem hast du sie gegeben?« Da sprach der Heilige, gelobt sei er, wider: »Ich hab sie zu der Erden gegeben.« Da ging der Satan zu der Erden un sprach: »Erd, die Thauroh, die dir hat der Gelobte gegeben, wo hast du sie hingetan?« Da sprach die Erd wider: »Gott, der prüft die Wege, das meint, der Heilige, gelobt sei er, der weiß alle Dinge, aber ich hab die Thauroh nit.« Da ging der Satan wieder zum Jam (Meer) un sprach: »Jam, die Thauroh, die der Heilige, gelobt sei er, hat gegeben, wo hast du sie hingetan?« Da sagt das Jam wider: »Die Thauroh is nit mit mir.« Da ging der Satan zu dem Abgrund von der Erden un sagt: »Die Thauroh, die dir der Heilige, gelobt sei er, hat gegeben, wo hast du sie hingetan?« Da sprach der Abgrund von der Erden: »Die Thauroh is nit in mir.« Da ging der Satan die ganze Erd aus un sucht sie, weil Gott hat gesagt, ich hab die Thauroh auf der Erden gegeben. Da ging der Satan wieder zu die toten Leut un die verlorenen Leut un fragt sie auch: »Die Thauroh, die euch Gott gegeben hat, wo ha(b)t ihr sie hingetan?« Da sagten sie wider dem Satan: »Wir haben es wol mit unseren Ohren gehört, aber wir wissen weiters niks.« Da ging der Satan wieder vor den Heiligen, gelobt sei er, un sprach: »Herr all der Welt, ich hab gesucht auf der ganze Erd un hab die Thauroh nit gefunden«. Da sagt Gott: »Geh zu Ben Amrom, das is Mojsche Rabbenu, er is Amroms Sohn, dem hab ich sie gegeben.« Da ging der Satan zu Mojsche Rabbenu un sprach: »Mojsche, die Thauroh, die dir der Heilige, gelobt sei er, gegeben hat, wo hast du sie hingetan?« Da sprach Mojsche Rabbenu wider: »Wie kommst du zu mir un fragst nach der Thauroh? Wer bin ich, oder was bin ich, daß mir der Gelobte hat sollen die Thauroh geben!« Wie nun hat der Gelobte gehört, daß Mojsche Rabbenu nit wollt gestehen, daß er die Thauroh hat mekabel gewesen (empfangen), sprach der Heilige, gelobt sei er: »Du bist ein Lügner, warum leugnest du, daß ich dir die Thauroh geben hab?« Da sagt Mojsche: »Herr all der Welt, ein solch gelustig Keli (Gerät), als die Thauroh is, die da macht einen Menschen[1] lustig (froh), wenn er daraus lernt, un da du dich alle Tag selbert drinnen dermahnst un lernst selbert draus, un ich soll mich derhalben darauf berühmen un soll sagen, ich hab die Thauroh empfangen? Es steht nit wol an einem Menschen, daß er sich soll ein Ding berühmen, wenn er's schon hat, sich zu berühmen, noch gleichwol soll er sich gar klein machen.« Da sagt Gott wider zu Mojsche: »Derweil du dich derhalben schofel (gering) machst un sprichst, du hast die Thauroh nit empfangen, un willst den Kowed (Ehre) nit annehmen, so soll die Thauroh zu Lohn auf dich un auf deinen Namen geheißen sein, als wie der Posuk (Schriftstelle) sprecht: ›Gedenk die Thauroh von Mojsche, meinem lieben Knecht, un hüte sie‹.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 1-2.
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