Sechsundzwanzigste Geschichte

[22] geschah an einem, der hat geheißen Rabbi Jojsse, der sagt: »Ich bin einmal gegangen über Feld. So bin ich gegangen in ein wüstes Haus. Un das is ein wüstes Haus gewesen von Chorwes Jeruscholajim (Trümmer v. Jerusalem) her. Also bin ich hinein gegangen un hab meine Tefille (Gebet) drinnen getan.« Da is gekommen Elijohu hanowi, (Prophet Elijohu), sein Andenken zum Guten, un hat sich gestellt auf die Tür von dem Haus, un hat meiner gewartet bis ich hab ausgeort (fertig gebetet). Un wie ich hab ausgeort gehabt, da is er zu mir gegangen un hat mir Scholaum (Friedensgruß) gegeben un hat zu mir gesagt: »Scholaum alecho (Friede mir dir) Rabbi.« Da hab ich wider gesagt: »Scholaum alecho, Rabbi Umauri (mein Lehrer).« Da sagt er wider mich: »Mein Sohn, warum bist du in so ein Haus gegangen um deine Tefille zu tun? Du hättest wol können auf dem Weg deine Tefille tun. Denn es is eine große Sakone (Gefahr) in ein wüstes Haus zu gehn«. Da hab ich wider gesagt: »Ich hab mich geferchtet, wenn ich hätt Tefille auf dem Weg getan. Da hätten mich die Leut mewulbel (irre gemacht, gestört) gemacht, die da hin un her gehn.« Da hat Elijohu hanowi wider mich gesagt: »Du hättest sollen eine kurze Tefille auf dem Weg geort haben.« Da[22] hab ich dreierlei von ihm gelernt: Eins, daß man nit soll in ein wüst Haus gehn. Un das andere hab ich gelernt, daß man mag auf dem Weg oren. Un das dritte hab ich von ihm gelernt, wenn man auf dem Feld ort, so soll man kurz oren. Da sprach Elijohu hanowi wieder zu mir: »Mein Sohn, was für eine Stimm hast du in dem zerstörten Haus gehört?« Da hab ich wider Elijohu hanowi gesagt: »Ich hab gehört eine Stimme, gleich wie ein Taube. Die hat gesagt, wie daß ich mein Haus verwüstet hab, un wie daß ich mein Palast verbrennt hab, un daß ich meine Kinder laß so im Goles (Verbannung) herum gehn, un das zwischen den andern Völkern.« Da sagt Elijohu hanowi wider mich: »Mein Sohn, so wahr als du lebst, un dein Kopf lebt, ob du willst meinen, daß die Stimme jetzundert also schreit, neiert allemal wenn Jisroel in der Schul sagen ›Omen, sein heiliger Name sei gelobt‹, da verwackelt der Heilige, gelobt sei er, seinen Kopf un spricht: ›Wol dem König, den man lobt in seinem Haus. Un weh is dem Vater, der seine Kinder läßt im Goles gehn zwischen den andern Völkern, un sind zwischen sie vertrieben. Un weh den Kindern, die da vertrieben sind von dem Vater seinem Tisch‹.« Damit ging Elijohu hanowi wieder von ihm hinweg.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 22-23.
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