Achtunddreißigste Geschichte

[33] geschah: Onkeles bar Klonikes der wollt sich megajer sein (bekehren). Da ward es der Kaiser gewahr un schickt etliche Leut nach ihm, et sollt mit ihnen zu ihm kommen. Alsobald sie zu ihm kamen, da redet er so viel mit ihnen aus der Thauroh, daß sie sich anhoben zu bekehren. Wie das der Kaiser hat auch gewahr worden, da schickt der Kaiser noch mehr Leut nach ihm un verbietet die selbigen Leut sie sollten kein Wort mit dem Onkeles reden un sie sollten ihn zu ihm bringen. Un wie sie zu ihm kamen, so redeten sie niks mit ihm un führten ihn hinweg. Da sagt er: »Ich muß eppes (etwas) mit euch reden, das weltlich is.« Un ging vor eine Mesuse (Gebetkapsel am Türpfosten) hin, da griff er dran un hub an zu lachen. Da fragten sie ihn, warum er lacht. Da sagt er: »So is der Seder (die Ordnung) von der Welt: ein Knecht der tragt die Stallkerz vor dem Herrn un hütet den Herrn außenwendig vor seinem Fall, daß ihm kein Schaden widerfährt. Un der Melech (König) bleibt innenwendig auf seinem Stuhl sitzen. Aber der Heilige, gelobt sei er, gelobt sei sein heiliger Namen, der is nit also. Denn er sitzt vor der Tür un behütet sein lieb Volk Jisroel, die innenwendig sitzen. Darum steht die Mesuse außenwendig, als wir sagen, Gott behüt mein Ausgehn un mein Heimkommen von jetzunder an bis ewiglich.« Wie sie das hörten, so haben sie sich auch bekehrt. Wie das nun der Kaiser hört, da schickt er nun keinen mehr nach ihm, denn er[33] fercht sich, sein Volk werden sich alle gar bekehren un er wird kein Volk mehr behalten.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 33-34.
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