Einundfünfzigste Geschichte

[45] geschah: Er sagt, der Kaiser, wider RebbenGamliel: »Ihr Juden sagt, die Toten werden wieder lebendig werden. Sie sind doch eitel Erd, wie können sie denn lebendig werden?« Da sagt des Kaisers Tochter zu Rebben Gamliel: »Schweig du still, laß mich meinem Vater antworten.« Da sprach die Tochter wider den Kaiser: »Lieber Vater, ich muß dich eppes fragen. Wir haben hie in dieser Stadt zwei Häfner. Ein Häfner, der macht seine Häfen aus Wasser un der andere macht seine Häfen aus Lehm. Nun sag du mir, welcher is ein größerer Meister unter die zwei Häfner.« Da sagt der Kaiser: »Liebe Tochter, was frägst du? Pschita (einfach) is der ein größerer Meister, der seine Häfen aus Wasser kann machen.« Da sagt die Tochter: »Lieber Vater, meinst du aber nit, der seine Häfen aus Wasser macht, daß er sie viel besser aus Lehm kann machen?« Da sprach der Kaiser: »Das kann ich wol gedenken, daß er sie besser aus Lehm macht als aus Wasser.« Da sagt die Tochter: »Ach, mein lieber Vater, so gedenk auch, der Heilige, gelobt sei er, der hat den Menschen zum ersten aus Erd beschaffen, das is gleichwie Wasser. Wenn man es in Wasser tut, zergeht es doch im Wasser, mikolscheken (um wie viel mehr) daß der Heilige, gelobt sei er, den Menschen wieder kann beschaffen hintennach aus Erd, wenn er schon Erd is geworden.« Da war der Kaiser modoh (gab ihr recht).

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 45.
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