Dreiundneunzigste Geschichte

[83] geschah: Einer, der hat geheißen Chanin hanechboh denn Chanin, das is teutsch, der sich verbarg, der war Choni hamagel Tochters Sohn. Un wenn Iisroel Regen vonnöten hatten, da schickten die Rabbonim die jungen Kinder aus, zum Rabbi sein Haus, daß sie ihn sollten bitten, daß er doch sollte Tefille tun (beten), daß es sollt regnen. Un da nun die Kinder zu ihm kamen, da nahmen sie ihn bei seinem Mantel un sagten wider ihn: »Vater, Vater, gib uns Regen.« Da tät der Chanin Tefille un sprach: »Herr, all der Welt, gib doch Regen von wegen der kleinen Kinder, denn sie können nit derkennen zwischen dem Vater, der ihnen Regen gibt, oder zwischen dem Vater, der ihnen keinen Regen gibt. Denn sie meinen nebbich, daß ich sie (ihnen) den Regen gib.« Derwegen war er geheißen hanechboh, er pflegt sich zu verbergen im Bethhakneses (Gotteshaus). Da sagt man viele Pschatim (Erklärungen) drauf. Ein Pschat is, er war ein großer Oni (sehr arm). Wenn er Tefille tät (betete), da verbarg er sich, aber nit in ein Bethhakneses. Aber ein Teil sagen, wenn er einem Oni (Armen) eppes (etwas) gab, da wollt er sich nit sehen lassen, damit daß er den Armen nit sollt verschämt machen. Denn es is nit recht, wenn man einen Armen verschämt, wie ich da weiter schreiben will.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 83.
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