Hundertdreizehnte Geschichte

[106] geschah: Rabbi Meier der spottet den Leuten, die da Aweres (Sünden) täten. Denn er sagt, der Mensch kann gar leicht seinen Jezerhore (bösen Trieb) kaufe sein (beherrschen), daß er keine Awere tut. Einmal wollt ihn der Jezerhore versuchen, un macht sich zu einer hübschen Frau, un stellt sich auf jene Seite des Wassers. Da sah sie Rabbi Meier an, un kriegt eine Lust zu ihr, un wär gern bei ihr gewesen. Aber es war kein Brück da. Un da war auch kein Schiff, daß er mit über könnt fahren. Da ging er hin un nahm ein klein Brett un fahrt mit über. Aber er nahm erst ein Strick un werft es über den Bach um daß er sich daran festhalten sollt, um nit zu fallen. Un wie er nun halb über das Wasser kam, da verging ihm sein Jezer (Trieb), daß er kein Lust mehr zu ihr hat. Da sprach der Jezerhore wider den Rabbi Meier: »Wenn man nit auf dem Himmel auf dich ausschreit, sei gewarnt an Rabbi Meier un an seiner Thauroh, so wollt ich dich jetzunder in das Wasser geworfen haben, daß du vertrunken wärst.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 106.
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