Hundertsechzehnte Geschichte

[108] geschah an zwei Brüdern. Der eine hat geheißen Achab ben Kuli, un der andere hat geheißen Zidkije ben Moschiach. Die waren zwei große Reschoim (Sünder) un waren zu Jeruscholajim daheim gewesen. Un nachdem daß sie sind vertrieben worden gen Babel mit andern Jehudim, noch gleich ließen die zwei Reschoim ihre bösen Stücke nit, un gaben sich aus gleich ob sie wären Newiim (Propheten). Un gingen zu Nebukadnezar seine Töchter. Da ging Achab zu einer Tochter un sagt wider sie: »Gott der Herr hat mich geschickt zu dir, daß du sollst (ge)hören zu meinem Gesellen Zidkije un sollst bei ihm liegen.« Un Zidkije der ging zu der andern Tochter un sagt auch zu ihr: »Gott, der Herr, hat mich zu dir geschickt, als daß du sollst zu meinem Gesellen Achab (ge)hören un sollst bei ihm liegen.« Da gingen die Töchter zu ihrem Vater Nebukadnezar un sagten ihm das. Da sagte der Vater wider: »Wenn sie wieder zu euch kommen, so sagt, daß sie sollen zu mir kommen un mich vorfragen. Denn ihr dürft sonder mein Reschuss (Erlaubnis) nix tun.« Wie sie nun wieder kamen bei die Töchter, da sagten sie, daß sie nun kamen um bei ihnen zu liegen. Da sagten sie wider: »Ihr müßt vorher bei dem König gehn, denn wir dürfen solche Sachen nit tun ohne Reschuss (Erlaubnis) von unserem Vater.« Da gingen sie zu dem König. Un wie sie nun zum König kamen, da sagt der König wider sie: »Seid ihr die Newiim (Propheten), die Gott zu meinen Töchtern geschickt hat, daß sie sollen bei ihnen liegen?« Da sagten sie: »Gott, der Herr, hat uns zu eueren Töchtern geschickt, daß wir ihnen sollen das Botenbrot sagen, daß sie sollen bei uns liegen, da werden sie beide auch Newiim von uns beiden kriegen.« Da sagt der König wider sie: »Gott hat doch Unkeuschheit feind, un hat es doch selbert in euerer Thauroh verboten. Wie soll ich euch solches glauben, daß Gott euch solches geheißen hat? Denn ich hab Chananje, Mischoel un Esarje gefrägt, die sind doch auch Newiim (Propheten) gewesen un haben mir gesagt, daß Gott Unkeuschheit verboten hat.« Da sagten die Reschoïm (Bösewichter) wider: »Wir sind so wol Newiim, wie sie sind gewesen. Zu ihnen hat es Gott nit geredet, un zu uns hat es Gott ja geredet.« Da sprach der König: »Ich will eins tan, ich will euch versuchen gleichwie ich Chananje, Mischoel un Esarje auch versucht[108] hab. Un ich will euch auch in einen heißen Kalkofen lassen werfen. Wenn ihr auch wieder herausgeht, sonder geschädigt, dann will ich euch für rechte Newiim halten, un dann soll euch geschehen was ihr wollt.« Da sprachen sie wider: »Es geschieht nit alle Tag ein Ness (Wunder) un noch mehr, sie sind drei fromme Leut gewesen, aber wir sind neiert zwei.« Da sprach der König: »So euch das hindert, so derwählt euch noch einen frommen Mann bei euch, wen ihr noch haben wollt, daß euer auch drei sollen sein, gleich Chananje, Mischoel un Esarje auch selbdritt sind gewesen.« Da sagten sie zum König: »Gib zu uns Jehauschue den Kohengodel (Hohenpriester), der war gar ein frommer Mann.« Un sie meinten, sie wollten seine Frummkeit genießen, daß sie ungeschädigt sollten herauskommen. Da sprach der König: »Das soll euch zugesagt sein.« Also gebot der König, daß man den Ofen einheizen soll. Gleich, stracks geschah. Also warf man die zwei un den Kohengodel auch mit in den Kalkofen. Da verbrannten die zwei Scheker Newiim (Lügenpropheten) ganz zu Asch, un dem Kohengodel Jehauschue verbrennt nix mehr als seine Kleider. Aber an seinem Leib geschah ihm nix. Da sagt der König wider Jehauschue, den Kohengodel: »Ich seh wol, daß du ein köstlicher Mann bist. Aber sag mir, warum sind dir deine Kleider verbrannt? Un Chananje Mischoel un Esarje sind afilu (sogar) ihr Kleider nit versengt.« Da sprach Jehauschue: »Jene sind drei gewesen, un sind alle drei fromme Mannen gewesen. Aber ich bin allein gewesen.« Da sagt der König wider: »Is doch Awrohom auch allein gewesen, un is ihm doch nix geschehen.« Da sprach Jehauschue der Kohengodel wider: »Bei Awrohom sind keine Reschoïm (Sünder) gewesen un das Feuer hat kein Reschuss (Erlaubnis) gehabt, aber bei mir da sind zwei Reschoïm gewesen, da hat das Feuer ja Reschuss gehabt zu verbrennen.« Un das is das Sprichwort, das die Leut sagen: Zwei dürre Hölzer versengen ein Holz. Un das is was der Posuk (Schrift) schreibt: Der Zaddik wird aus der Not befreit, un der Rosche, der kommt an sein Statt. Un warum waren denn dem Jehauschue seine Kleider verbrennt? Er is doch ein frommer Mann gewesen? Da is die Gemore wieder erklärend: Derweil er hat seinen Sohn lassen Weiber nehmen, die da nit würdig waren zu der Priesterschaft, un hat es ihnen nit verwehrt, derhalben verbrannten ihm seine Kleider.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 108-109.
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