Hundertvierunddreißigste Geschichte

[125] geschah: Einer hat geheißen Reb Dime bar Abe, der war gar gewöhntlich un wol bekannt bei dem Malach hamowes (Todesengel). Da sagt der Malach hamowes wider seinen Schliach (Boten): »Geh hin un bring mir eine Frau, die heißt Miriam, die da pflegt Weiber zu flechten.« Da ging der Schliach hin un bracht ihm die Miriam, die da pflegt die Kinder zu flechten un der Schliach hat ungleich (nicht richtig) verstanden. Da sagt der Malach hamowes: »Ich hab dich doch geheißen, du sollst mir die Miriam bringen, die da pflegt die Weiber zu flechten. Un warum hast du mir die Miriam gebracht, die da die Kinder flechtet?« Da sagt der Schliach: »Gib mir sie wieder her, ich will sie wieder lebendig machen.« Da sagt der Malach hamowes wider seinen Knecht: »Lieber, sag du mir, wie hast du sie können töten, weil ihr Zeit noch nit gewesen is, daß sie hat sollen sterben?« Da sagt der Schliach: »Ich will dir sagen, sie saß eben bei dem Feuer, un hat den Schürstecken in der Hand un wollt das Feuer schüren. Da legt sie den Schürstecken in das Feuer. Da verbrannt der Schürstecken im Feuer. Un da der Schürstecken is verbrennt werden so is ihr Masel (Glück) auch verbrennt, da hab ich sie getötet.« Da fragt Reb Dime: »Habt ihr denn die Macht so zu tan?« Da fragt der Malach hamowes (Todesengel): »Steht nit in Koheleth geschrieben: Mancher sterbt sonder Gericht, daß einer muß vor seiner Zeit sterben«, »aber ich geb ihn nit unter die Toten bis seine Zeit hat sollen sein, daß er hat sollen sterben. Un halt sie derweil bei mir. Dernach geb ich ihn unter die toten Leute.« Derhalben soll keine Frau den Schürstecken verbrennen, sonst verbrennt sie auch ihr Masel (Glück).

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 125.
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