Hundertzweiundsechzigste Geschichte

[165] geschah an einem Chossid, der war sehr alt. Un da er nun sterben sollt, da ließ er drei Söhne un tät seine Zewoe (Willen) sagen, daß sich die Brüder nit sollten zanken miteinander, denn sie möchten Schwues (Eide) durch das Gezänk tun, un er hat sein Lebtag keine Schwue getan. Un wie er nun gestorben war, da ließ er ihnen einen schönen Wirtsgarten, den mußten sie allezeit hüten vor Ganowim (Dieben). Nun, die allerersten Nächte lag der älteste Sohn in dem Garten. Da kam Elijohu hanowi (der Prophet Elias) un sprach zu ihm: »Mein Sohn, was begehrst du? Zu lernen? Willst du die ganze Thauroh lernen? Oder willst du viel Geld haben? Oder willst du ein schönes Weib haben?« Da sprach er wider, er will viel Geld haben. Da gab Elijohu hanowi eine Münze, da hatt er viel Geld. Nun, die andere Nacht lag der mittlere Sohn im Garten. Da kam Elijohu hanowi auch zu ihm un frägt ihn auch also was er begehrt. Da sagt er, er wollt die ganze Thauroh lernen. Da gab er ihm ein Sefer (ein Buch), da konnt er die ganze Thauroh. Die dritte Nacht, da lag der jüngste Sohn in dem Garten. Da kam Elijohu hanowi auch zu ihm un frägt ihn, was er begehrt, zu lernen, oder was er haben wollt. Da begehrt der Jüngste ein schön Weib. Da sprach Elijohu hanowi: »So mußt du mit mir wegziehn, so will ich dir ein schön frumm Weib geben.« Also zugen sie miteinander weg. Die erste Nacht lagen sie bei einem zu Herberg, da war der Baalhabajis (Hausherr) ein Rosche (Bösewicht). Da hört Elijohu hanowi die Nacht, wie die Hühner un die Gänse miteinander reden: »Was muß der für Sünd haben getan, daß der Jung des Mannes Tochter zu einem Weib soll nehmen? Denn sie taugen doch nix miteinander, dienen alle den Götzendienst.« Wie nun der Elijohu hanowi hört, da verstund er's gar wol, un zug weiter. Die andere Nacht lagen sie wieder bei einem. Da redeten die Hühner un die Gäns wieder mit einander: »Was muß der haben für eine Awere getan, daß er des Baalhabajis Tochter soll zu einem Weib nehmen, denn sie sind eitel Reschoim (Sünder) un dienen dazu den Goetzen.« Zu morgens stunden sie auf, un zugen wieder ihre Straße hinweg. Die dritte Nacht lagen sie wieder bei einem Baalhabajis, der hat gar eine hübsche Tochter. Da hört Elijohu hanowi die Nacht die Hühner un die Gäns miteinander reden: »Was muß der Jung für ein Sechus (Verdienst) haben, daß er ein solch schön Weib un so ein frumm Weib bekommt, denn sie sind eitel Zaddikim hinnen in dem Haus.« Zu morgens stund Elijohu hanowi auf, un war Schadchen (Heiratsvermittler), daß der Baalhabajis dem Jungen sein Tochter gab. So machten sie Chassene (Hochzeit) un ziehten bescholaum (in Frieden) heim. Das gab ihm Gott, weil er seine Zewoe (letzten Willen) hat gehalten und tät er mit Freuden alten.[166] Allhie will ich nun anheben zu schreiben die Geschichten von Rabbi Schmuel dem Chossid un von seinem Sohn Rabbi Jehude dem Chossid von Regensburg, was sich in ihrer Zeit verlaufen hat.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 165-167.
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