Zweihundertsechsundzwanzigste Geschichte

[284] geschah an zwei Straßenräubers, die sprachen zu einander: »Komm wir wollen gehn auf die Wegscheid un wollen jedermann morden un rauben, der uns nument begegnen wird, damit daß wir auch großen Mammon können bekommen.« So gingen sie beide un machten zwei Gruben un mordeten alles, was ihnen vorkam, un warften alles in die Grube. Das trieben sie gar lange. Einmal begab es sich, daß ein Sched (Geist) durch den Wald mit viel Wagen reitet. So sprach einer zu dem andern: »Mich gedenkt noch wol, daß das is ein schöner gebahnter Weg is gewesen, un jetzundert is er ganz verwüstet.« So ritten sie den Weg fort un fanden die zwei in einer Gruben sitzen. So nahmen sie die zwei mit un hatten viel Mammon bei sich. Da nahmen sie alles mit un verhörten sie. Da gestanden sie gar viel Morde, die sie getan haben. So ließ sie der Fürst mit einem schändlichen Tod umbringen. Drauf sagt der Posuk (die Schrift): Mein Sohn, wenn dich die Sündiger werden wollen überreden um mit ihnen zu gehn, nicht du sollst ihnen zuhören. Denn ihre Füße laufen zu Bösem um zu vergießen unschuldig Blut. Denn hintennach steht der Horug (Gemordete) selbert vor Gott, un sagt: »Herr all der Welt, du hast mich beschaffen im Mutterleib un hast mich ausgezogen aus dem Mutterleib, un hast mich mit deiner Barmherzigkeit gespeist all die Tage meines Lebens. Un nun hat mich zu Tode geschlagen der Rozeach (Blutvergießer), dein Beschäffnis, den du beschaffen hast. Herr all der Welt, räche mich jetzundert an dem Rozeach.« Sobald der Heilige, gelobt sei er, das hört, da derzürnt sich Gott über den Mörder, un schickt ihm einen zu, der ihn zu Tode schlägt. Un kommt in das Gehinnem (Hölle) un hat keinen Anteil an der andern Welt. Un man richtet ihn dreimal im Tag im Gehinnem. Derhalben soll sich ein jeglicher Mensch hüten vor Blutvergießen un sonst andern Aweres, denn der Heilige, gelobt sei er, läßt nix ungerächt un gibt jeglichem seinen Lohn.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 284-285.
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