Die Popentochter

[84] Es ist schon ziemlich lange her, da lebte in Kardamyla ein sehr reicher Pope, welcher nur eine einzige Tochter in gutem mannbaren Alter hatte, denn sie stand im sechzehnten Lebensjahre und war schön wie die Göttin der Liebe. Der Priester aber hatte sie wie eine Königin erziehen lassen und hatte immer zu ihr gesagt:

»Ich will dich nur mit einem vornehmen Manne verheiraten, der imstande ist, dich zu schätzen und, sein Geld mit meinem zusammentuend, dich honigsüße Tage schauen läßt!«

Nun legte eines Tages im Hafen ein Schiff an, das von Griechenland nach Kardamyla kam, um dort Lasten von Kaufmannsware aufzunehmen. Der Matrosen einer, ein gar schöner frischer Bursche, begegnete der Priestertochter und ward verliebt in sie. Er folgte ihr, merkte sich ihre Behausung, erfuhr alles, was er zu wissen wünschte, und dachte sich gleich, daß es zwecklos sei, ihr den Hof zu machen, da der Vater nimmer dareinwilligen werde, seine Tochter einem armen Seemanne zu geben.

Nachdem er alles genau überlegt hatte, ließ er sich ganz blank rasieren, verkleidete sich als Frau, stopfte[85] sich den Leib mit Stroh aus und klopfte bei hereinsinkender Nacht an der Türe des geistlichen Herrn. Der aber war zu Freunden zum Abendbrot gegangen und das wußte der Matrose ganz genau.

Eine alte Dienerin tat ihm auf:

»Wer kommt zu solcher Stunde?« fragte sie.

»Ein arm unglücklich Weib. Drei Meilen habe ich schon hinter mich gebracht. Ich kann jeden Tag niederkommen. Ach, man weiß ja nie, ob man am Leben bleibt oder an den Folgen der Geburt stirbt. Der Priester ist ein heiliger Mann, er ist gar weise, während unser Pfarrer ein Nichtswisser und ein Gotteslästerer ist. Ich gedachte Euern Herrn um seinen Segen zu bitten.«

»Das könnte geschehen, wenn der Vater hier wäre. Aber er wird nicht vor zwei Stunden nach Hause kommen!«

»So will ich mich draußen auf die Türschwelle legen und ihn erwarten.«

»Ich kann Euch nicht draußen lassen. Kommt doch herein, Ihr mögt Euch auf einer Bank ausruhen.«

Die schwangere Frau dankt und kauert sich auf die Bank, nicht ohne von Zeit zu Zeit Schmerzensseufzer auszustoßen.

Endlich kommt der Pfarrer heim.

»Wer ist die Frau?« fragt er.

Die alte Dienerin bringt ihm die Geschichte vor.

»Was, alte Drecksau,« zürnt der Pfaffe, »nimmt man[86] also eine heilige Frau auf, die von weit her und in solcher Lage kommt, um meinen Segen zu empfangen? Was hindert mich eigentlich daran, dir deine Triefaugen herauszureißen! Nimm vom Besten, was da ist, um dieser Unglücklichen hier ein Abendbrot zu machen ... Und Ihr, kommt, mein liebes Kind, setzt die Füße unter meinen Tisch und empfangt alle Segenssprüche für Euch und das Kind, welches bald geboren werden soll!«

Der Matrose aber, lachend unter seiner vorgezogenen Haube und ganz laut stöhnend, dankt dem prächtigen Pfarrer und bereitet trotz seiner Schmerzen dem kalten Hühnchen einen guten Empfang, welches ihm die alte Dienerin zitternd darbietet. Das alte Tier glaubt nicht im entferntesten daran, daß sie je wieder des Popen Gunst erringen könnte.

Unter einem Vorwande ruft sie ihn beiseite und sagt zu ihm:

»Die arme Frau, mein Vater, hat Gutlebe gehalten; doch können wir sie fortgehen lassen zu dieser Jahreszeit, mitten in der Nacht, damit sie ihr Dorf erreicht, welches drei Meilen von Kardamyla liegt?«

»Da wäre man aller Barmherzigkeit bar. Ich sehe, du bist eine gute Seele ... Doch wo soll das Weib schlafen?«

»Bei mir?«

»Nein, das hieße meiner Gastfreundschaft Hohn sprechen!«[87]

»Wie Ihr wißt, haben wir kein Bett frei, mein Vater.«

»Meine Tochter hat ein sehr breites Bett. Möge die Fremde bei meiner Tochter schlafen. Sage der Frau, sie solle sich ganz geräuschlos, auf daß meine süße Taube nicht aufwacht, ins Bett legen.«

Also geschieht es. Das schwangere Weib tut ihre Kleider und ihren Bauch von sich und kriecht zu dem jungen Mädchen, welches nichts gehört hatte.

Der Pfarrer zaudert nicht sich in dem Nebenzimmer niederzulegen, und bald hört ihn der Matrose glückselig schnarchen.

»Der Augenblick ist da,« denkt der Matrose.

Und sich dem jungen Mädchen nähernd, streicht er mit der Hand über die Schenkel, dann über den Leib, wovon sie aufwacht.

Schreit sie: »Mein Vater, es ist jemand hier, der in meinem Bette liegt!«

Der Pope wacht auf:

»Ach, meine Tochter, ich weiß es ... ist von mir geschickt.«

Der Liebhaber ward unternehmender. Umarmt die Schöne und läßt sie irgendwo irgendwas fühlen, das kein Weib besitzt.

»Lieber Vater,« schreit das junge Mädchen von neuem, »es ist ein Bube!«

»Wir wollen ihn morgen ansehen. Besser einen Buben als ein Mädchen. Wenn die Sache gut abgelaufen, so bin ich des froh. Laß mich schlafen!«[88]

Der Pope dachte wohl, das Weib sei mit einem strammen Buben niedergekommen!

»Da es meines Vaters Wille ist,« sagte sich das Mädchen, »will ich nicht dawider sein.«

Und sie überließ sich mit viel Vergnügen schließlich den wiederholten Angriffen des Matrosen. Endlich schliefen sie ein.

Zu früher Stunde erhob sich der Priester, um sich nach der Mutter und dem Buben umzusehn. Sachte die Bettdecke lüpfend, sieht er ... ein Adamsrütlein, welches die Mühen der Nacht durchaus nicht geschwächt hatten.

Anfangs trug er sich mit dem Gedanken, den losen Burschen zu ermorden, doch nach gutem Erwägen dachte er, es sei besser Lärm zu vermeiden, indem er ohne Zaudern sein Kind mit dem armen Matrosen verheirate. Daß die beiden sich dem nicht widersetzten, kann man sich wohl denken. Und später führten sie einen guten Haushalt und nahmen zu an Glücksgütern und an Kindern.

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 84-89.
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