1. Hondidldo.

Es war einmal ein Bauer, der hatte drei Söhne, von denen der eine dümmer als der andere war. Der erste ward Didldei, der zweite Didldob und der dritte, welcher der dümmste war, Hondidldo geheißen. Der Bauer hatte in seinem Garten einen wunderschönen Apfelbaum, und da bemerkte er eines Tages, daß ihm eine Menge Äpfel gestohlen waren. Darum beschloß er, heint genau acht zu geben, wer denn eigentlich der Dieb sei, und befahl dem Didldei Nachtwache bei dem Baume zu halten. Anfangs that dieß Didldei auch, als aber der Schlaf immer mehr und mehr seine Augen zudrückte, da legte er sich ins Gras, und fing bald recht laut zu schnarchen an. Auf einmal hörte er ein Geräusch, er blickte um sich, und sah von weitem einen kleinen weißen Mann, wie er eben in dem nahegelegenen Bache verschwand. Zu seinem Staunen aber bemerkte er, daß abermals eine Menge Äpfel fehlten. Traurig ging er nach Hause und erzählte dieß seinem Vater. »Du Siebenschläfer«, sagte dieser, »ich will dir die Augen aufmachen«, und steckte dem Didldei eine Ohrfeige. Darauf befahl er dem Didldob die nächste Nacht den Apfelbaum zu hüten. Das that er, aber auch er schlief neben dem Baume ein, und es begegnete ihm dasselbe wie seinem Bruder, auch er sah den kleinen weißen Mann. Er rieb sich die Augen und glaubte nicht recht gesehen zu haben, als er aber den Apfelbaum beinahe leer sah, ging er mißvergnügt zu seinem Vater und erzählte es ihm. »Ja«, sagte[1] dieser, »du hast gewiß die ganze Nacht hindurch kein Auge aufgemacht, denn hättest du nicht geschlafen, so würdest du den Dieb schon erwischt haben. Deine Nachlässigkeit aber soll nicht ungestraft bleiben, sagte er, nahm einen Haslinger hervor und zog ihm tüchtig das Lederzeug an.«

»Hört, Voda, dera Hocka will i a no an Stil finden«, rief Hondidldo, dessen größtes Glück seine Fidel war, »heint geh i außi und wart, bis da Diab kimt.« Richtig, unser Hondidldo geht hinaus, setzt sich auf den Apfelbaum, nimmt seine Fidel und fängt ganz gemüthlich zu spielen an. Auf einmal sah er unter dem Baume ein kleines weißes Männchen herumspingen. »Des is ja da leibhaftige Dodamon«, denkt sich der Hondidldo, »wart, wannst du da Diab bist, di wer ma a no kriag'n.« Er hört auf zu fideln und will den Baum hinuntersteigen. Er erschrak aber nicht wenig, als er sah, daß das Männchen immer größer und größer wurde. Unser Hondidldo aber hatte sich bald von seinem Schreck erholt, nahm seine Fidel lustig wieder zur Hand und fing abermals zu spielen an.

Und wie er so fidelte, ward der weiße Mann immer kleiner und kleiner und begann voll Freude zu tanzen. Endlich wurde Hondidldo müde, er hörte auf zu spielen und legte seine Fidel bei Seite. Sogleich ward auch das Männchen wieder größer, bis es beinahe schon über den Baum hinausragte. »Siehst«, sagte er zum Hondidldo, »wenn du willst, so kannst dir mit deiner Fidl viel Geld verdienen.« – »Bei so was«, sagte dieser, »bin ich alleweil dabei.« »Nun, dann geh mit mir«, sagte der Mann. »Recht gern«, antwortete Hondidldo, »aber gleich kann es nicht sein, weil ich auf den Apfeldieb warten muß.« »Mach dir keine Sorgen«, erwiederte der Mann, »die Äpfel sollen dir alle bleiben, und auch die gestohlenen sollst du wieder erhalten.« »Auch recht«, dachte Hondidldo und ging mit.

Er stieg den Baum herab, nahm seine Fidel und wollte dem Manne folgen. Das war diesem eine gemähte Wiese, denn[2] kaum hatte Hondidldo den Baum verlassen, so waren auch alle Äpfel verschwunden. Hondidldo stand ganz verwundert neben dem Baume und ärgerte sich, daß trotz seiner Wachsamkeit doch die Äpfel weggekommen seien. Der Morgen brach an, der Hahn hatte bereits zum erstenmal gekräht, und Hondidldo wußte nicht, was er beginnen sollte, denn der weiße Mann war verschwunden und hatte Hondidldo in der grösten Noth zurückgelassen. Nach Hause getraute er sich nicht, da er wußte es würde ihm schlimm ergehen, wenn der Vater sähe, daß nun die Äpfel gänzlich gestohlen seien.

»Mir follt's ein«, denkt er sich, »mein Fidl is ja a no was wert, gehst in d' weiti Welt, und wüllst dein Glick probirn, und wann da da Äpfeldiab amol untakimmt, soll a gwiß mehr als Hor laßn miaßn.«

Gesagt, gethan. Hondidldo macht sich auf den Weg. Seine Fidel unter dem Arme ging er lange Zeit fort, bis er in einen großen, großen Wald kam. Es wurde schon Nacht und Hondidldo wußte nicht wo ein und aus, denn er hatte sich im Walde verirrt. Als er so ging, fiel ihm ein, daß er ja seine Fidel noch habe. Schnell nahm er sie hervor und fing zu spielen an. Da bemerkte er von weitem ein Lichtlein, das immer näher kam, und auf einmal stand ein goldenes Rößchen vor ihm. Du kimst ma grod z'recht, denkt sich da der Hondidldo, und schnell schwingt er sich auf das Pferd, das nun im Galopp davon eilte. Vor einem kleinen Häuschen mitten im Walde hielt es stille. Hondidldo stieg ab und ging mit seiner Fidel in das Häuschen. Da gewahrte er zu seinem Erstaunen eine Menge kleiner Männlein, welche lustig im Kreise herumtanzten, während einige dazu spielten, und wieder andere an einer großen Tafel mit Speise und Trank sich labten. Die Männchen schienen auf ihn gewartet zu haben, denn kaum war er eingetreten, als alles ruhig ward. Die kleinen Männchen nöthigten ihn, sich zu setzen und an ihren Lustbarkeiten theilzunehmen. Hondidldo hatte großen Hunger, er[3] setzte sich daher gleich zur vollen Schüssel und fing an tüchtig einzuhauen. Währenddem hatten einige der Männchen seine Fidel ergriffen, und da sie ihnen gar so gut gefiel, wollten sie mit unserem Hondidldo einen Tausch machen und versprachen ihm eine andere Fidel ganz von Gold. Hondidldo war's zufrieden, nahm die eingetauschte Fidel und begann gleich darauf zu spielen. Gleichzeitig bewegten sich auch die Männchen wieder und fingen lustig zu tanzen und zu springen an. So ging dieß lange Zeit fort, bis endlich Hondidldo müde geworden war und wieder fortgehen wollte, denn er sagte, er müsse den Apfeldieb suchen. Man wollte ihn aber nicht gehen lassen, und die kleinen Männchen versprachen ihm eine Menge anderer Äpfel, die er alsdann nach Hause tragen könne. Hondidldo war damit einverstanden und fidelte noch eine Weile fort.

Als er fertig war, gaben ihm die Männchen einen Sack voll Äpfel, Schinken, Backwerk u.a. mit auf den Weg. Vor dem Hause fand er wieder das goldene Rößchen. Hondidldo schwang sich auf dasselbe, und fort ging es bis zum Apfelbaume. Hier angelangt, stieg er ab, das Rößchen verschwand und Hondidldo ging mit seiner Fidel und mit seinem Sacke schnell in das Haus zu seinen Brüdern. Diese sahen ihn ganz verwundert an, denn sie kannten ihn nicht mehr. Erst als Hondidldo ihnen alles erzählte, erinnerten sie sich seiner. Er sagte ihnen auch, daß er die Äpfel alle im Sack habe und noch obendrein eine goldene Fidel mitbringe, die sie am nächsten Morgen sehen sollten.

Des andern Tages stand Hondidldo schon sehr früh auf und wollte seine Fidel nehmen, die er Tags vorher an die Wand gehängt hatte. Er staunte nicht wenig, als statt derselben eine Roßhaxen1 an dem Nagel hing.

Als nun auch der Vater und die Brüder herzu kamen,[4] wurde der Sack geöffnet; zum Schreck aller aber fielen aus diesem keine Apfel, viel weniger Schinken und Backwerk, sondern lauter Kröten und Eidechsen kamen aus dem Sacke. Hondidldo sah nun ein, daß er nicht nur um die Äpfel, sondern auch um seine Fidel auf eine schändliche Weise war betrogen worden. Aus Gram über diesen Verlust starb er bald, denn er wollte ohne Fidel nicht leben.


De G'schicht is aus,

Dort lauft a Maus,

Hot a roth's Rockerl an,

Jetzt fongt a andrer zun erzähln an.


1. Hondidldo
1

Ein Pferdefuß.

Quelle:
Vernaleken, Theodor: Kinder- und Hausmärchen dem Volke treu nacherzählt. 3.Auflage, Wien/Leipzig, 1896 (Nachdruck Hildesheim: Olms, 1980), S. 1-6.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hume, David

Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes

Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes

Hume hielt diesen Text für die einzig adäquate Darstellung seiner theoretischen Philosophie.

122 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon