[118] 26. Witi.

Ein armer Bauer hat drei Söhne gehabt, zwei gescheite und einen dummen. Dieser hat Hansl geheißen und ist von seinen Brüdern immer deshalb gehänselt worden. An einem Sonntag hat einmal der Vater gesagt: »Meine lieben Söhne, ihr seid jetzt alt genug, geht und schaut euch (›eng‹) in der Welt ein wenig um; wer das Gescheiteste heimbringt, der bekommt das Haus.« »Schon recht«, meinten die beiden ältern, »aber den Hansl behalte nur daheim.« »Wer weiß«, sagte der Vater, »der Dumme hat oft Glück.«

Jetzt sind alle drei fortgegangen und am Kreuzwege vor dem Dorfe haben sie sich getrennt, und der Dumme ist seines Weges allein gewandert. In der Dämmerung gelangt er in einen tiefen Wald, wo er jeden Augenblick (»alle Bot«) an einen Baum stößt. Darum setzt er sich, und in der Finsternis kommt ihn der Jammer an (»hot recht es ölenden og'fangt«). Wie er so weint, hört er auf einmal schön singen. Da steht er auf und geht der Stimme zu. In einem Häusl sieht er ein Licht brennen, und als er näher kommt, gewahrt er ein Meerfräulein. Dieses gibt ihm zwei Fische, die er sich braten soll. Dann sagt das Fräulein: »Mein lieber Hansl, geh mitten in dieses Wasser und schrei dreimal Witi! Witi! Witi! Du darfst dich aber nicht fürchten, denn es wird ein großer Mann kommen, der hatte zwo rote Federn auf dem Hute gehabt, als ich ihn zum letzten Mal gesehen. Hat er die Federn noch, so bitte ihn um eine; hat er eine rothe und eine schwarze[118] Feder, so bitte um die schwarze. Er wird sie dir wohl geben, denn du bist ja ein Neusonntagskind1.« Hansl that, wie ihm befohlen und er brachte dem Meerfräulein eine rothe Feder. Darüber ist das Fräulein voller Freude gewesen und hat dem Hansl zum Lohn einen schönen Wagen geschenkt, der ist von selber gefahren, und wenn man gesagt: »Pick an!« so hat müssen alles an der silbernen Deichsel kleben bleiben.

Nachher hat das Meerfräulein zum Hansl gesagt: »Du bist ein Neusonntagskind, und wenn du den Himmel sehen willst, so darfst du nur um Mitternacht dreimal schreien Witi! Witi! Witi! Gleich kommt (kimmt) der wild Hackeljäger und nimmt dich mit, um dir alles zu zeigen.« »Schon recht«, sagt der Hansl und setzt sich auf seinen Wagen. Um zwölf Uhr ist er auf dem Kreuzwege; da hört er pfeifen, schreien, bellen und miauen. Er schreit dreimal Witi! und der wilde Hackeljäger reitet auf die Erde. Einen feuerrothen Mantel hat er angehabt, ein glühendes Messer an der Seite und ein silbernes Beil in der linken Hand. Sein Schimmel ist so weiß gewesen, daß er einen ganz hellen (»hölletigen«) Schein von sich gegeben hat. Seine zwei Hunde hatten brennende Augen.

Der Hackeljäger ließ den Hansl hinter sich (»eam«) aufsitzen und so ritten beide in die Höhe. Da hat der Hansl geschaut! Zuerst sah er den Sunnawendfeuer-Mann, wie er den Regen und den Wind gemacht hat. Nach einer Weile ist's auf einmal helllicht geworden, so daß dem Hansl vor lauter Glitzern und Flimmern (»glitzan und flunkaz'n«) die Augen weh thaten. Die Engel haben gesungen und alles ist von Gold und Silber gewesen. Unser Herrgott hat ein ganz goldenes Gewand angehabt und einen schneeweißen Bart, der ihm bis auf die Mitte reichte. Mein Hansl hat sich ganz verschaut, er vergaß alles um sich her und hat[119] wollen alleweil dort bleiben. Allein der Hackeljäger ist jetzt weiter geritten, und Hansl mußte mit ihm. Tief, tief sind sie hinunter geritten und da sind sie an ein schwarzes Thor gekommen, das ist von selbst aufgegangen. Innerhalb des Thores war es ganz dunkel, große Feuer haben gebrannt (»hom brunna«) und man hat weinen und jammern gehört. Da sind Leute gewesen, die mußten am Pfluge ziehen und Teufel mit Ochsenköpfen haben darauf losgehauen, zur Strafe dafür, daß sie ihr Lebtag das Vieh gemartert hatten. Andere wurden in einem Kessel gesotten und haben nicht sterben können. Wieder andere sind an einem Tische gesessen, auf dem lauter gute Sachen lagen, aber wenn sie essen wollten, ist das Essen in ihrer Hand zu Gold geworden, so daß sie ewig Hunger leiden mußten.

Dann ritten sie wieder auf die Erde und der Hackeljäger trennte sich von ihm; Hansl suchte seinen Wagen auf und fuhr weiter. Auf einer Brücke traf er eine Öbstlerin, die fing an unbändig zu lachen über das Gefährt, welches ohne Roß war. Das verdroß den Hansl und er rief: »Pick an!« Und richtig, die Öbstlerin ist daran picken geblieben mit sammt ihrer Bude. So geschah es auch zwei Bäckern, die mit ihren Ofenschüsseln aufeinander schlugen, ebenso einem Pfannenflicker und einer Pfarrersköchin. Alle blieben an der Deichselstange hängen. So kam Hansl in eine mächtig große Stadt. In dieser lebte ein König mit seiner schönen Tochter, die war alleweil traurig und hat nie gelacht. Als aber Hansl mit seinem Pickan-Wagen vor das Königsschloß fuhr, hat die Prinzessin so gelacht, daß sie kaum aufhören konnte. Der König hat sie dann dem Hansl zur Frau gegeben und ihn zu seinem Nachfolger gemacht. Dann fuhr er mit prächtigen Rossen zu seinem Vater. Dieser sprach erfreut zu Hansl's Brüdern, die schon lange unverrichteter Sache zu Haus waren: »Seht ihr, ich hab's gleich gesagt, daß der Hansl das Gescheiteste nach Hause bringt.«

1

D.h. welches am ersten Sonntag nach dem Feste des h. Johannes geboren ist. Sonntagskinder sind Glückskinder und können sehen, was andern verborgen ist.

Quelle:
Vernaleken, Theodor: Kinder- und Hausmärchen dem Volke treu nacherzählt. 3.Auflage, Wien/Leipzig, 1896 (Nachdruck Hildesheim: Olms, 1980), S. 118-121.
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