[270] 57. Der Betenkrämerhansl.

Es war einmal ein Bauer und eine Bäuerin, die hatten einen Sohn, welcher Hansl hieß. Als er groß war, hätte er in eine Lehr kommen sollen, weil er aber schon von klein auf nichts nutz war, so hat ihn niemand in die Lehr nehmen wollen. Seine Eltern haben sich darüber sehr gekränkt und sind auch bald darauf gestorben. Jetzt war unser Hansl allein und hat sich nicht zu helfen gewußt. Da ist er in den Wald hineingegangen, hat sich hier Beeren von Wachholderstauden (»Kronabirr«) gesammelt, hat sie an eine Schnur gefaßt und an Sonntagen bei der Kirche als Beten verkauft. Weil er aber nicht viel Geld dafür bekam, so hat ihn dieses Geschäft bald verdrossen und der Hansl hat sich auf das Betteln verlegt. Die Leute haben ihn Betenkrämerhansl (da »Betenkromahansl«) geheißen, weil er denen die ihm etwas schenkten, Beten gegeben hat. Dabei hat er aber immer etwas mitgehen lassen, was ihm nicht zukam. Alles hat sich vor ihm gefürchtet und ist ihm aus dem Weg gangen. Im Dorfe hat er nicht mehr bleiben dürfen, darum ist er immer im Walde gewesen, hat in einer Höhle geschlafen, und alle, die durch den Wald gingen, hat er angepackt, und ihnen das Geld weggenommen. Einmal ist er zu seiner Großmutter (»Anl«) gegangen, welche eben Krapfen buk, weil gerade Fasching war. »O je!« sagte da der Hans, »ich kann jetzt Krapfen backen, ich habe es von einigen gesehen, die es sehr gut können.« »Das ist gescheit«, sagte die Großmutter; »mußt mir's gleich[270] zeigen.« Der Hans nimmt einen Krapfenteig, ergreift die Anl bei der Hand, wickelt diese in den Teig ein und hält sie in das heiße Schmalz. Da hat die Anl geschrieen, aber der Hans hat sie lange festgehalten, bis sie vor lauter Schmerz umgefallen ist. Jetzt hat er sie ausgelassen und ist wieder in den Wald gegangen. Da sieht er ein Weib gehen, die hat eine Butte voll Geschirr (»Hefarln«) auf dem Rücken getragen. Sie kannte den Betenkramerhansl nicht, grüßte ihn, und der Hans hat sie gleich gefragt, woher sie komme. »Nun«, sagte sie, »ich komme vom Markte aus der Stadt, und hab da ein bischen was eingekauft.« »Fürchtet Ihr Euch denn nicht vor'm Betenkrämerhansl?« fragte er; »wenn der Euch sieht, nimmt er Euch alles weg.« »A!« sagt das Weib, »der thut mir nichts.« Dann ist der Hansl ein Stück mit ihr gegangen, und unterwegs sagte er: »Jetzt hab ich einen unbändigen Durst.« »No wart ein bischen«, sagt das Weib, »ich hole dir Wasser.« Sie stellt ihre Butte nieder und geht abseits. Unterweilen hat ihr aber der Spitzbub das ganze Geschirr zusammengeschlagen und ist weitergegangen.

Einmal jedoch kam er an den Unrechten, welcher ihn tüchtig durchbläschte und vor den Richter führte. Der Pfarrer, welcher gerade beim Richter an einem Schmause war, hat sich gewundert, wie denn dieser Hans so stehlen könne, und hat es nicht glauben wollen. »O je«, hat da der Hans gesagt, »Ihr selbst gebt mir alles, was Ihr habt.« »Kerl!« sagte da der Pfarrer, »wenn du das im Stande bist, soll alles dein sein, was ich dir gebe.« Richtig! Der Hans hat lange gewartet; da ließ er sich einmal in die Kirche einsperren, zündete drinnen alle Kerzen an und läutete um Mitternacht mit allen Glocken. Der Kirchendiener hörte es und ging nachsehen, was denn das auf einmal sei. Der Hans hatte ein großes Leintuch umgehängt und sich auf den Hochaltar gestellt. Wie der Kirchendiener eintrat, fiel er auf die Kniee nieder, Hans aber[271] sagte: »Ich bin Christus der Herr, und nur der Pfarrer darf mit mir reden.« Der Kirchendiener ging und holte den Pfarrer herbei. Dieser ist auf Händen und Füßen zum Altar gekrochen, hat das Kreuz gemacht und den Hans gefragt, was denn unser Herrgott eigentlich wolle. Darauf antwortete der Verwegene: »Wenn du willst, so kannst du jetzt mit mir in den Himmel fahren.« Der Pfarrer war gleich dabei, und als der Hans sagte, er solle alles, was er habe, bringen und in einen Sack hineinthun, hat der Pfarrer sein ganzes Gold und Silber gebracht. Geschwind nahm der Hans einen Sack und sagte, er solle nur hinein schliefen. Der Pfarrer kroch hinein, und der Schalk trug ihn weit hinaus in den Wald. Da stieß er ihn an einen Steinhaufen, so daß der arme Pfarrer im Sacke gejammert und geschrien hat. »So!« sagte der Haus, »das ist die Steinigung«. Alsdann tauchte er ihn ein wenig in den Bach und sagte: »Das ist die Jordantaufe.« Und der Pfarrer hat wieder geschrien und immer gefragt: »Sind wir denn noch nicht im Himmel?« »Gleich,« antwortete Hans und warf ihn in eine Dornhecke. Da hat sich der Pfarrer ganz zerstochen und geschrien, bis in der Früh die Leute kamen und ihn aus dem Sacke befreiten. Wie der Pfarrer heraußen war, hat er gefragt: »Seid ihr auch im Himmel?« Und jetzt erst kannte er sich aus und sah ein, daß ihn der Betenkrämerhansl, der Schalk, an der Nase herumgeführt hatte.[272]

Quelle:
Vernaleken, Theodor: Kinder- und Hausmärchen dem Volke treu nacherzählt. 3.Auflage, Wien/Leipzig, 1896 (Nachdruck Hildesheim: Olms, 1980), S. 270-273.
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