Wie der Tod in die Welt kam

Wie der Tod in die Welt kam.
Zulusage.

[11] Die Erde, der Mond, die Sterne und die Sonne sind immer gewesen; aber der Tod war nicht immer in der Welt.

Vor langen, langen Jahren kamen zu den Menschen zwei Boten, die ihnen der große Geist1 geschickt hatte, dem Himmel und Erde gehören.

Es waren das Chamäleon und der Salamander.

Der große Geist hatte zu dem Chamäleon gesagt:

»Gehe hin und sage den Bewohnern der Erde, sie sollen glücklich sein und ewig leben.«

Dem Salamander aber hatte er befohlen: »Eile zu den Menschen und sage ihnen, daß sie sterben müssen.«[12]

Da machten sich diese Boten des Glückes und des Unglückes auf den Weg, um dem Befehle des großen Geistes zu gehorchen.

Ohne nach rechts oder links zu blicken, eilte der Salamander dahin, und als er zu den Menschen kam, sprach er:

»Was seid Ihr so sorglos? Wißt Ihr nicht, daß Ihr sterben müßt?«

Da erschraken die Menschen sehr; denn nun lernten sie die Sorge und den Tod kennen.

Das Chamäleon aber war von seinem Wege abgekommen, hatte hier eine Fliege und dort ein Insekt gefangen, und als es sich seines Auftrages erinnerte, war es spät geworden. Als es zu den Hütten der Menschen kam, fand es dort schon den Salamander vor und mit ihm die Sorge und den Tod.

1

»Der große Geist«, Qamata genannt, ist den Kaffern der Ausdruck für die unbestimmte Vorstellung eines höheren Wesens, welches die Welt regiert. Dennoch haben diese Neger keinerlei Glauben an ein Leben, welches nicht von dieser Welt ist; sie glauben nicht an eine Unsterblichkeit ihrer Seele. Eine vage Idee haben sie, daß ihre Großen, ihre Häuptlinge, ein Leben haben, welches über dieses hinausreicht. Daher ihr Glauben an Geister und ihre Furcht vor ihnen, da diese sämtlich der Welt und ihren Bewohnern abhold sind. Ihren Glauben an Qamata können die Kaffern in keiner Weise definieren. Er entspringt wohl lediglich aus dem dunklen Gefühle, daß die Weltordnung eines Ordners bedarf.

Quelle:
Held, T. von: Märchen und Sagen der afrikanischen Neger. Jena: K.W. Schmidts Verlagsbuchhandlung, 1904, S. 11-13.
Lizenz:
Kategorien: