Drei Worte

Drei Worte.
Sansibarsage.

[58] Ein Geizhals pflegte Leute, in deren Schuld er stand, zu betrügen; deshalb war es für ihn nach und nach schwer geworden, solche zu finden, die ihm Waren verkauften oder Dienste leisteten.

»Er gibt uns doch nicht, was uns zukommt,« sagten die Menschen und wollten mit ihm nichts zu tun haben.

Eines Tages hatte der Geizhals kostbares Glas gekauft. Da er ein schwacher, alter Mann war, konnte er die schwere Kiste mit dem Glas nicht selber tragen und mußte jemanden suchen, der es für ihn täte.

»Entweder bezahle ich dir deine Mühe in Geld,« sagte er zu einem Manne, der sich zu dem Dienste bereit erklärt hatte, »oder ich werde dir drei Worte sagen, die dir im Leben von Nutzen sein werden. Wähle!«

»Sage mir die drei Worte!« entgegnete der Mann. Dann nahm er die Kiste, setzte sie sich auf seinen Kopf1[59] und trug sie eine Strecke Weges. Als er sich ausruhen wollte, sprach er:

»Herr, ein Drittel des Weges habe ich hinter mir; gib mir eins der drei Worte zu wissen.«

Da sprach der Geizhals:

»Glaube dem nicht, der dir sagt, Sklaverei sei besser als Freiheit.«

Der Träger nahm seinen Weg wieder auf. In seinem Innern aber dachte er:

»Dieser Mensch ist schlimmer als ein Geizhals; denn er ist ein arger Betrüger.«

Nach abermals einer Weile setzte er die Kiste nieder und sprach:

»Ich will ausruhen! Sage mir das zweite Wort.«

Der Geizhals sprach:

»Sollte sich jemand finden, der dir sagt, Armut bringe Glück, und Reichtum Unglück, so glaube es nicht.«

Wieder hob der Mann seine Last auf den Kopf und trug sie bis vor das Haus des Geizhalses.

»Welches ist das dritte Wort?« fragte er diesen.

»Erst setze die Kiste nieder!«

»Nein, erst sage das Wort!«

»Glaube niemandem, der es versucht, dir einzureden, Hunger tue nicht weh,« lauteten die Worte des Geizhalses.

»Gehe zur Seite, Herr,« rief der Träger der Kiste, »damit ich meine Last niedersetze!« Dabei ließ er sie mit großem Krach zur Erde fallen.

»Was hast du getan?« jammerte der Geizhals.

»Du hast mein Glas zerbrochen!«

Da sprach der Mann:

»Wenn jemand kommt, der dir sagt, es sei etwas anderes als Scherben in der Kiste, so glaube ihm nicht.«

1

Die Sitte, Lasten auf dem Kopfe zu tragen, ist wohl eine so ziemlich bei allen Negerstämmen übliche. Es ist erstaunlich, welch ein Gewicht ein Schwarzer auf diese Weise ohne Ermüdung weite Strecken tragen kann. In Süd- und Ostafrika benutzen die Leute einen aus Gräfern geflochtenen Teller, den sie zwischen Schädel und Last schieben, und der vor zu großem Drucke schützt.

Quelle:
Held, T. von: Märchen und Sagen der afrikanischen Neger. Jena: K.W. Schmidts Verlagsbuchhandlung, 1904, S. 58-60.
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