Wie es kommt, daß die Nase des Hasen gespalten ist

Wie es kommt, daß die Nase des Hasen gespalten ist.1
Ein Hottentottenmärchen.

[94] Der Mond sandte einst ein Insekt zu dem Menschen und sprach zu ihm: »Sage dem Menschen, der Mond sende ihnen folgende Worte: ›Wie ich sterbe und im Sterben noch lebe, werdet auch ihr sterben und leben.‹«

Da machte das Insekt sich auf mit der Botschaft. Unterwegs traf es den Hasen; der hielt es an und fragte: »Wohin gehst du?«

Das Insekt antwortete:

»Der Mond hat mir befohlen, zu den Menschen zu gehen und ihnen zu sagen: Der Mond sendet ihnen folgende Worts: ›Wie ich sterbe und im Sterben noch lebe, werdet auch ihr sterben und leben.‹«

Da sprach der Hase: »Laß mich hingehen; ich laufe besser.«[95]

Dann lief er davon. Als er zu den Menschen kam, sagte er: »Der Mond läßt euch sagen: ›Wie ich sterbe und vergehe, so werdet auch ihr sterben und vergehen und nicht mehr sein.‹«

Darauf lief der Hase zum Mond und erzählte ihm, was er den Menschen gesagt hatte.

Der Mond wurde böse, als er dies hörte, und sprach zu dem Hasen:

»Wie kannst du dem Menschen sagen, was ich dir nicht aufgetragen habe?« Und er schlug ihn mit einem Scheit Holz auf die Nase, daß sie sich spaltete.

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Wie es kommt, daß die Nase des Hasen gespalten ist (Hottentotten); Warum es gut ist, daß die Menschen sterben (Sage vom Viktoriasee); Sage vom Chamäleon (Haussastamm); Warum der Mensch stirbt (Goldküste); Wie der Tod in die Welt kam (Zulu) sind alles Sagen des gleichen Inhaltes in mehr oder minder veränderter Form. Eine wunderbare Gleichheit der Mythologie der Bantuvölker in dem weiten afrikanischen Gebiet ist in diesen Sagen enthalten, in allen liegt der tiefe Gedanke an die Vergänglichkeit alles Bestehenden.

Quelle:
Held, T. von: Märchen und Sagen der afrikanischen Neger. Jena: K.W. Schmidts Verlagsbuchhandlung, 1904, S. 94-96.
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