Des Schakals Rat

[130] Da ist es einst geschehen, daß der Schakal in die Hände von »weißen Menschen« geriet, weil er etwas gestohlen hatte. Er wurde daher gefangen und gebunden, um getötet zu werden. Zuvor aber frug der Schakal: »Auf welche Weise pflegen die ›weißen Menschen‹ zu töten?« Diese antworteten: »Mit Knütteln und Hämmern pflegen sie totzuschlagen.« Der Schakal sagte darauf: »Das ist eine schlechte und verkehrte Art zu töten,« und gab ihnen den Rat: »Wenn ihr einen Menschen tötet, so müßt ihr ihm das Unschlitt und das weiche Fett zu essen geben. Dann müßt ihr ihn von außen ganz mit Fett einreiben. Darnach macht ihr ein Feuer aus einem Felsen – nehmt ihn dann beim Schwanz und werft ihn auf den Felsen ins Feuer!« Die »weißen Menschen« thaten also mit dem Schakal. Weil er aber so schlüpfrig war, ist er ihren Händen entglitten – floh weg – und wurde von den Hunden verfolgt; doch glückte es ihm noch in ein Loch hinein zu schlüpfen. Die »weißen Menschen«, die ihm nachgerannt waren, fühlten mit der Hand im Loch umher, ergriffen seinen Schwanz und riefen:

Há – há – há! –! Khōtsi, ti ge mĭ = »Wir haben dich gefangen.« Der Schakal aber sprach: »Nimmermehr! Ihr habt mich nicht gepackt, sondern eine Wurzel habt ihr gefaßt.« Der »weiße Mensch« erwiderte: »Du bist es.« Der Schakal sagte: »Ich bin es nicht; gehe[130] aber nur hin und schlage einen Kieselstein entzwei und komm und schneide ab, dann wirst du sehen, daß es eine Wurzel ist.« Da ging der »weiße Mensch« einen Kieselstein entzwei zu schlagen. Inzwischen kroch der Schakal tiefer in das Loch hinein und lebte weiter.

Erläuterung: der Schakal – ein Nama – der Dieberei überführt, überlistet die Europäer durch seine Ratschläge mehr als einmal, und steht als nicht zu verachtender Gegner vor uns, dem nicht jeder Ansiedler gewachsen ist. Kiesel- resp. Quarzsteine dienten einstens den Eingeborenen als Messer.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 130-131.
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