Der weite und der nahe Weg.

[96] Zwei Leute lebten in Freundschaft. Sie bearbeiteten ihre Pflanzungen gemeinschaftlich. Der eine nahm immer einen weiten Weg zu den Pflanzungen und sein Freund fühlte sich verpflichtet, ihn auf demselben Wege zu begleiten. Von dem Ort aus, in dem sie wohnten, führte auch ein naher Weg dahin. Wenn man im Orte war, so könnte man von dort ihre Pflanzungen sehen.[96]

Eines Tages brachen sie morgens auf, und als sie bei dem nahen Wege anlangten, sprach der eine: »Wir wollen diesen näheren Weg gehen, um schnell hinzukommen.« Sein Freund erwiderte: »Ich gehe den weiten Weg, denn den nahen kenne ich nicht.« »Gut,« sagte jener, »ich werde den nahen einschlagen, denn ich möchte schnell gehen, gehe Du den weiten Weg, geh nur.«

Jener, welcher den nahen Weg einschlug und schnell gehen wollte, ging seines Weges und fiel in eine Grube; der andere, welcher den weiten Weg genommen, kam glücklich an.

Ein naher Weg ist kein Weg, es ist besser, den weiten zu nehmen, den man kennt.1

1

Ein guter Weg um ist nicht krumm.

Quelle:
Velten, C[arl]: Märchen und Erzählungen der Suaheli. Stuttgart/Berlin: W. Spemann, 1898, S. 96-97.
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