Der Sparsame und seine Kinder.

[240] Es war einmal ein Mann, der hatte zwei Söhne. Ihr Vater besass viel Vermögen, aber wenn man ihn sah, konnte man glauben, dass er keinen Pfennig besässe, denn er trug keine schönen Kleider, noch ass er gute Speisen. Die andern Leute in der Stadt beschimpften seine Kinder, weil ihr Vater Vermögen besass, aber keine guten Kleider trug, noch gute Speisen ass. Der Vater selbst wusste, dass die Leute über ihn schimpften.

Eines Tages veranstaltete er ein Fest und lud sehr viele Leute aus der ganzen Stadt dazu ein. Sie kamen zu ihm und assen. Als sie mit Essen fertig waren, unterhielten sie sich. Seine beiden Söhne waren ebenfalls zugegen und hörten zu. Da sprach ihr Vater zu jenen Leuten: »Ich bitte Euch, fraget meine Söhne in meinem Namen, ich möchte, dass sie mir zwei Fragen beantworten. Erstens – wenn jemand sagt ›jener Mann besitzt nichts‹, oder zweitens, wenn jemand sagt, ›jener Mann ist sehr geizig, er will weder gut essen, noch schöne Kleider anziehen‹, – was würdest Du vorziehen?«

Die Leute waren ganz erstaunt. Der Ältere sagte darauf: »Ich möchte am liebsten etwas besitzen, um es ausgeben zu können.« Der Jüngere sprach: »Es ist besser, wenn die Leute von mir sagen, ich sei geizig, ich liebe es nicht gut zu essen, noch schöne Kleider[240] zu tragen, denn dann besitze ich doch etwas. Aber wenn die Leute sagen ›wo soll er es, denn hernehmen, er hat ja nichts – dann habe ich eben nichts, um es auszuführen.‹«

Sein Vater freute sich sehr und sprach zu den Leuten: »Dieser ist besser als jener.« Und weiter sprach er: »Gut, ich halte es auch für besser, wenn die Leute von mir sagen, ich sei geizig, denn ich besitze dann doch etwas. Aber wenn sie von mir sagen ›wie kann er das denn machen‹, so habe ich eben nichts, um es ausgeben zu können.«

Die Bedeutung ist: »Es ist besser zu sparen, selbst wenn Dich die Leute einen Geizhals nennen, als alles auszugeben.«

Quelle:
Velten, C[arl]: Märchen und Erzählungen der Suaheli. Stuttgart/Berlin: W. Spemann, 1898, S. 240-241.
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