[296] 108. Wie Aguaratunpa seinen Bruder nach dem Himmelsgewölbe schickte

Aguaratunpa lebte mit seinem Bruder zusammen. In einem Korb hatte er zwei kleine Papageien. Eines Tages flogen sie nach einem Acker, wo sie Mais aßen. Als sie nach Hause kamen, hatte der eine Maismehl um den Schnabel. »Woher hast du das?« fragte Aguaratunpa. »Von einem Acker weit hinten, wo die Sonne untergeht,« sagten die Papageien.

Am folgenden Tag schickte Aguaratunpa die Papageien fort. Wohin sie flogen, dahin folgte er ihnen. Als er hinkam, brach er Mais ab. Da kam der Besitzer des Ackers und sah, daß jemand Mais gestohlen hatte. Aguaratunpa verbarg sich; der Besitzer fand ihn aber, da er sich, als er den Mais abbrechen wollte, in Hände und Füße geschnitten und überall Blutspuren hinterlassen hatte.

Der Besitzer sagte zu Aguaratunpa: »Warum hast du mir Mais gestohlen? Hättest du mich darum gebeten, so hätte ich ihn dir gegeben.« Er brach viele Maiskolben ab und belud Aguaratunpa damit, der sie nach Hause brachte. Er legte sie neben die Tür.

Als er am folgenden Morgen erwachte, hatte der kleine Haufen sich in einen großen verwandelt, der bis an das Dach reichte.

Aguaratunpas Bruder fragte ihn, woher er den Mais habe. »Es ist weit weg,« sagte Aguaratunpa. »Es gibt keinen Weg, und du kannst dich nicht hinfinden.«

Der Bruder machte sich aber doch auf den Weg und kam[296] an den Acker, wo er Kürbis fand, von dem er aß. Dieser war vergiftet, und er starb. Tot fand Aguaratunpa ihn. Er sagte, er wolle ihn wieder lebendig machen. Aguaratunpa nahm eine Pflanze, Ihuahuasu. Mit dieser schlug er ihn. Er sprang über ihn, zuerst gerade über den Körper, dann vom Kopf bis zum Schwanz.

Der Bruder wurde wieder lebendig und sagte: »Ich habe lange geschlafen.« – »Du hast nicht geschlafen, du bist tot gewesen,« sagte Aguaratunpa. Dieser schickte den Bruder zum Himmel. Wenn es donnert, dann geht der Bruder Aguaratunpas spazieren.

Quelle:
Koch-Grünberg, Theodor (Hg.): Indianermärchen aus Südamerika. Jena: Eugen Diederichs, 1927, S. 296-297.
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