Sprichwörter.[150] 85

1. Wer hat gesehen, dass des Bockes Horn zum Himmel reicht?

wer hat gesehen, dass des Kamels Schwanz zur Erde reicht?

2. Wenn du den Frosch gehen siehst,

was fragst du nach seinem Trabe?

3. Anstatt viel zu sein und Kehricht,

sei wenig und sei Kunst.

4. An einem windigen Tage giebt's keine Ruhe,

an einem gedankenschweren Tage giebt's keinen Schlaf.

5. Wenn's auch schlecht ist, sei's doch dein Haus,

wenn's auch Fastenspeise ist, sei's doch deine Grütze.

6. Wer den Herrn geehrt hat, wird ein Herr werden,

wer den Reichen geehrt hat, wird reich werden.

7. Was du auch isst, iss es nur,

möge nur dein Zahn auf keinen Stein geraten!

Was du auch anziehst, zieh' es an,

möge nur die Sonne den Rücken dir nicht verbrennen!

Was du reitest, reit' es nur,

möge dein Fuss nur nicht den Boden berühren!

8. Besser als ein schwarzer Sinn so gross wie ein Kamel

ist ein weisser Sinn so gross wie ein Feuerschwamm.[150]

9. Wenn du Neues siehst, gerat' nicht ausser dir vor Freude,

wenn du Altes siehst, veracht' es nicht,

10. Besser als morgen ein Darm mit Bauchfett

ist heute eine Lunge und Leber.

11. Des Junggesellen Hals frisst die Laus,

und seine Ersparnisse frisst der Hund.

12. Was nicht schneiden wird, das schleife nicht!

wer nicht hören will, den unterweise nicht!

13. Ehe du auf Schönheit siehst,

frage lieber nach innerm Wert.

14. Wer mit dem Froste kämpft, büsst sein Ohr ein,

wer mit dem Herrn kämpft, büsst den Kopf ein.

15. Was der Verständige in sechs Tagen thut,

thut der Listige in fünf Tagen.

16. Wie die Vernunft es denkt, so geht es nicht,

wie Gott es bestimmt, so geht es.

17. Wenn du ein Messer in der Hand hast, begieb dich nicht in Streit,

wenn du eine Pferdeschlinge in der Hand hast, geh' nicht zur Rauferei.

18. Wenn du das Wasser noch nicht siehst, ziehe den Stiefel nicht aus.

19. Etwas anderes ist es, mit der Zunge schnell sein,

etwas anderes ist es, mit den Füssen schnell sein.

20. Ehe du ein Mädchen bewachst, halt' lieber eine glühende Kohle.

21. Wer viel schiesst, ist noch kein Schütze,

wer viel spricht, ist noch kein Redner.

22. Die Wurzel des Baumes durchdringt die Erde,

die Wurzel des Menschen durchdringt das Volk.

23. Ein Mädchen, das eine schlechte Mutter hat, nimm nicht,

in ein Haus, das eine schlechte Thür hat, tritt nicht ein.

24. Von zwei Menschen ist einer höher;

wenn nur ein Mensch da ist, ist seine Mütze höher.

25. Was forderst du von einem Lande Mist, wo kein Vieh ist?86

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1898, S. 150-151.
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