I. Die Erschaffung der Erde.

[155] Ehe die Erde vollendet war, war Alles Wasser, die Erde war nicht da, der Himmel war nicht da, Sonne und Mond war nicht da. Gott flog umher, auch noch ein Mensch90 flog umher, beide waren schwarze Gänse und flogen umher.[155] Gott dachte durchaus an nichts, jener Mensch, den Wind erregend, regte das Wasser auf und spritzte Wasser in das Antlitz Gottes. Jener Mensch gedachte höher als Gott sich zu erheben, er stürzte aber nach unten und fiel ins Wasser. Herabgestürzt sprach er fast erstickend: »Ach, mein Gott, errette mich.« Gott sprach: »O Mensch, erhebe dich aus dem Wasser hervor.« Jetzt erhob sich jener Mensch aus dem Wasser in die Höhe. Gott sprach: »Es möge ein fester Stein entstehen.« Von dem Grunde des Meeres kam ein harter Stein hervor; auf die Oberfläche desselben setzte sich der Mensch, der mit Gott zusammen lebte.

Gott sprach: »Du steige herunter zum Grunde des Meeres und bringe Erde herauf!« Nachdem er hinabgestiegen, fasste er Erde mit der Hand, und nachdem er Erde genommen, gab er sie Gott. Gott warf diese Erde über die Oberfläche des Meeres hin und sprach: »Es werde Land.« Darauf entstand das Land. Darauf sprach Gott abermals: »Steige hinab und bringe noch Erde herauf.« Der Mensch dachte bei sich: »Wenn ich dort hinabsteige, werde ich auch für mich Erde mitbringen.« Er stieg zum Grunde des Wassers hinab, nahm nach seinen Gedanken zwei Hände voll Erde mit. Die eine Hand voll brachte er Gott, mit der andern Hand steckte er die Erde in den Mund und stieg empor, um selbst vor Gott verborgen Land zu machen. Die eine Handvoll gab er Gott, Gott nahm sie, streute sie aus und die Erde wurde dick. Jener Mensch steckte die Erde in seinen Mund, sie schwoll an, der Mensch wollte ersticken, sie schnürte ihm die Kehle zu, und er wäre fast gestorben. Jetzt lief er zur Seite und entfloh vor Gott. Er meinte, er sei weit fortgegangen, aber als er sich umblickte, stand Gott ihm zur Seite. Als jener Mensch dem Ersticken nahe war, sprach er zu Gott: »Ach Gott, wahrhaftiger Gott, errette mich.« Gott sprach: »Was hattest du vor? Dachtest du etwa, du könntest die Erde nehmen und in deinem Munde verbergen; weshalb verbargst du die Erde?« Jener Mensch sprach: »Ich habe die Erde in den[156] Mund genommen, um Land zu machen.« Gott sprach: »Spei sie aus!« Als der Mensch dieselbe ausgespieen, entstanden die kleinen Sumpfhügelchen. Darauf sprach Gott: »Jetzt bist du in der Sünde. Du dachtest mir Böses zu thun; des dir unterworfenen Volkes innerer Sinn wird eben so böse sein! Der Sinn des mir unterworfenen Volkes wird heilig sein. Sie werden die Sonne sehen, sie werden das Licht sehen, der wahre Kurbystan91 werde ich genannt werden. Dein Name soll Erlik92 sein. Der Mensch, welcher seine Sünde vor mir verborgen, soll der deinige, der Mensch des Erlik sein. Der Mensch, der sich vor deiner Sünde verborgen, soll der meinige sein.«

Es wuchs ein einziger Baum ohne Aste empor, diesen erblickte Gott. »Ein einziger Baum ohne Zweige ist nicht angenehm zu sehen, es mögen an ihm neun Äste entstehen,« sprach er. Neun Zweige wuchsen empor. »Am Fusse der neun Äste mögen neun Menschen sein, aus jenen neun Menschen mögen neun Völker entstehen.«

Als jetzt Erlik kam, ertönte ein Geräusch von vielen (ihm unbekannten) Dingen. Erlik sprach jetzt zu Gott: »Woher rühret dieses Geräusch?« Gott sprach: »Du bist ein Fürst, ich bin auch ein Fürst, dies ist mein Volk.« Darauf sprach Erlik: »Ach gieb mir doch dieses dein Volk.« Gott sprach: »Nein, ich werde es dir nicht geben, du warte nur.« Jetzt sprach Erlik zu sich selbst: »Halt, halt, ich will mir doch das Volk Gottes ansehen.« Erlik ging, ging und kam dort an. Als er nachsah, erblickte er alles, Menschen, Wild, Vögel und allerlei Lebendes. Erlik sprach: »Wie hat Gott dies nur alles gemacht? Ich sagte doch, ich will alles nehmen, wie soll denn dies zur That werden, wovon nährt sich dieses Volk?«

Als Erlik sah, dass sie von der einen Seite des einzigen Baumes assen von der andern aber nicht, sprach er: »Weshalb esset ihr nur von diesem?«

Da sprach ein Mensch: »Dies ist unsere Speise, die uns von Gott angewiesen.« Gott hat zu den Menschen gesagt:[157] »Esset nicht die Speise dieser vier Zweige, nach Sonnenaufgang zu sind fünf Zweige, die Speise derselben esset!«93 Nachdem er so gesprochen, ist er selbst zum Himmel emporgestiegen; an den Fuss des Baumes hat er einen Hund gesetzt, indem er sagte: »Wenn der Teufel kommt, so fasse ihn.« Ausserdem hat er eine Schlange hingesetzt, indem er sagte: »Wenn der Teufel kommt, so beisse ihn.« Darauf sprach Gott zum Hunde und zur Schlange: »Wenn ein Mensch kommt, um die Speise der fünf Zweige, die nach Sonnenaufgang zu liegen, zu essen, so lasst ihn nahe, wenn er aber die Speise dieser vier Zweige essen will, so lasst ihn nicht nahe! Deshalb ist dieses unsere Speise.«

Als der Teufel Erlik dies hörte, ging er zum Baume; dort fand er einen Menschen, mit Namen Töröngöi, zu dem sprach er: »Wenn Gott euch gesagt, ihr möget von diesen fünf Zweigen essen, von jenen vier Zweigen esset nicht, so ist dies Lüge und nicht Wahrheit. Die Speise von diesen fünf Zweigen iss nicht, von jenen vier Zweigen iss sie.«

Als der Teufel so gesprochen, schlief die Schlange ein. Der Teufel drängte sich in die Schlange ein; in der Schlange sprach der Teufel: »Klettre auf diesen Baum hinauf.« Die Schlange kletterte auf diesen Baum hinauf. Die Schlange94 als die Speise, von der Gott gesagt, dass der Mensch sie nicht essen sollte. Mit dem Manne Töröngöi lebte zugleich ein Mädchen mit Namen Edji; zu diesen sprach die Schlange: »Töröngöi, Edji, esset dies!« Töröngöi sprach: »Nein, wie soll ich davon essen, Gott selbst hat gesagt, ›iss nicht!‹ ich esse nicht.« Darauf gab die Schlange dem Mädchen die Speise, Edji ass sie. Als sie dieselbe ass, war die Speise sehr süss. Töröngöi ass sie nicht. Darauf streifte Edji die Frucht ab und strich sie in den Mund des Töröngöi. Jetzt fiel das Haar von ihrem Leibe und sie schämten sich.95 Einer verbarg sich hinter einem Baume, der andere hinter einem andern Baume.

Darauf kam Gott. Als Gott kam, verbarg sich alles Volk vor Gott. Gott rief: »Töröngöi, Töröngöi, Edji, Edji,[158] wo seid ihr?« Als Gott rief, sprachen sie: »Wir sind auf Bäumen und kommen nicht zu dir.« Gott sprach: »Was ist mit dir. Töröngöi?« – »Edji hat in meinen Mund die von dir verbotene Speise gestrichen.« Gott sprach: »Warum hast du das gethan, Edji?« Edji sprach: »Die Schlange sagte zu mir: ›Iss!‹« Gott sprach: »Schlange! was war mit dir?« Sie sprach: »In mein Inneres war der Teufel getreten, ich habe es nicht gesagt, sondern der Teufel hat es gesagt.« Gott sprach: »Wie ist der Teufel in dein Inneres gekommen?« Die Schlange sprach: »Ich war eingeschlafen da kam der Teufel zu mir!« Gott sprach: »Hund, was war mit dir? Weshalb hast du den Teufel nicht gepackt?« Der Hund sprach: »Meinen Augen war er unsichtbar.«

Jetzt sprach Gott zur Schlange: »O Schlange! Jetzt bist du der Teufel geworden, der Mensch möge dich anfeinden, dich schlagen, dich töten.« Darauf sprach er zur Edji: »Du hast das Brot, von dem ich sagte, dass ihr es nicht essen solltet, gegessen, der Rede des Teufels hast du Gehör gegeben, des Teufels Speise hast du gegessen; jetzt sollst du Kinder gebären, beim Gebären heftige Schmerzen empfinden, der Tod wird dich erreichen.« Darauf sprach Gott zum Töröngöi: »Des Teufels Speise hast du gegessen, meinem Worte hast du nicht gehorcht, des Teufels Worten hast du gehorcht; der Mensch, der die Worte des Teufels befolgt, ist im Lande des Teufels; der Mensch, der meinen Worten nicht gehorcht, wird mein Licht nicht sehen, wird meine Gnade nicht empfangen, soll in der Finsternis sein. Jetzt ist der Teufel mir feindlich, und mit dem Teufel bist du, Töröngöi, mir ebenfalls feindlich. Wenn du jetzt des Teufels Speise nicht gegessen hättest, wenn du meinen Segen empfangen hättest, meinen Worten gefolgt wärset, würdest du einst mir gleich geworden sein, jetzt mögen dir neun Söhne und neun Töchter geboren werden. Jetzt hast du den Segen des Teufels empfangen, des Teufels Speise gegessen. Ich will jetzt keine Menschen mehr schaffen, der Mensch soll aus sich selbst entstehen.«[159]

Jetzt sprach Gott zum Teufel: »Warum hast du meinen Menschen betrogen?« Erlik sprach: »Als ich dich bat, hast du sie nicht gegeben, ich habe sie gestohlen, ich habe sie mit List genommen; wenn sie zu Pferde dahinsprengen, werde ich sie herunterwerfen, wenn sie Branntwein trinken, werde ich sie uneinig machen, werde sie kämpfen lassen, mit Asten sich schlagen lassen. Wenn sie ins Wasser steigen, werde ich sie ins Wasser hinabstürzen, wenn sie auf den Baum steigen, werde ich sie fallen lassen, wenn sie auf den Felsen steigen, werde ich sie herabstossen.«

Jetzt sprach Gott: »Unter drei Erdschichten ist das Land der Finsternis, wo weder Sonne noch Mond ist, dorthin werde ich dich herabstürzen, jetzt werde ich selbst keine Speise mehr geben, ihr selbst ernährt euch durch eure eigene Kraft; ich komme jetzt nicht mehr mit euch mich zu unterhalten, ich werde euch den Mai-Tere schicken, er soll euch lehren allerlei zu verfertigen.«

Mai-Tere kam zu ihnen, lehrte sie allerlei; was Mai-Tere ihnen bereitete, war Gerste, Rettig, Kandyk, Lilienzwiebeln und Zwiebeln. Darauf sprach der Teufel: »Nun, Mai-Tere, flehe meinetwegen Gott an, ich möchte gern mich nach oben hin, zur Seite Gottes erheben.« Mai-Tere verneigte sich vor Gott zwei und sechzig Jahre lang. Gott sprach: »Ja, wenn du mich nicht anfeindest, wenn du dem Menschen nichts Böses zufügest, so komm!« Jetzt stieg Erlik zum Himmel empor; nachdem Erlik hingegangen, verneigte er sich vor Gott: »Gieb mir deinen Segen, gieb mir deinen Segen, dass ich den Himmel vollenden kann, o Gott!« Gott gab ihm den Segen: »Verfertige den Himmel,« sprach er. Jetzt machte der Erlik mit Gottes Segen den Himmel, und des Erlik Teufel wuchsen in diesem seinen Himmel, in grosser Menge wuchsen sie.

Da lebte ebenfalls ein Mensch Gottes, Mandy-Schire, der dachte bei sich: »Unsere Menschen leben auf der Erde, des Erlik Menschen leben im Himmel, das ist ja sehr schlecht.« So dachte Mandy-Schire, war auf Gott erzürnt[160] und ging, um den Erlik zu bekriegen. Erlik kam dem Mandy-Schire entgegen, schlug den Mandy-Schire mit Feuer und vertrieb ihn.96 Mandy-Schire entfloh heimwärts. Gott fragte ihn: »Woher kommst du denn?« Mandy-Schire sprach zu Gott: »Des Erlik Volk lebt oben im Himmel, unser Volk lebt auf der Erde, die ist sehr schlecht. Ich selbst gedachte des Erlik Volk zur Erde hinabzustürzen, hatte aber keine Kraft und konnte sie nicht hinabstossen.« Gott sprach: »Niemand ist stärker als ich. Erlik ist jetzt stärker als du; seine Zeit ist noch nicht gekommen; wenn seine Zeit kommt, so werde ich dir sagen: ›Heute geh', wenn du an diesem Tage gehst, wirst du stärker sein.‹«

Jener lebte, lebte still; als Mandy-Schire lange so gelebt, dachte er bei sich: »Der Tag, an dem Gott spricht: Heut geh! ist gekommen.« Gott sah den Mandy-Schire und sprach: »Du wirst ihn vertreiben, wirst deine Gedanken ausführen, wirst stark sein, sehr stark wirst du sein; mein mächtiger Segen wird dich treffen.« Mandy-Schire freute sich, lachte, lachte und sprach: »Ich habe keine Flinte, keinen Köcher, keinen Speer und kein Schwert. Nur die einzige rote Hand habe ich, wie soll ich gehen?« Gott sprach: »Womit willst du denn gehen?« Mandy-Schire sprach: »Ich habe nichts; mit dem Fusse will ich ihn treten, mit dem Arm will ich ihn fortschleudern.« Gott sprach: »Nimm dieses, einen Speer nimm.« Mandy-Schire nahm den Speer, ging zum Himmel, besiegte den Erlik und vertrieb ihn. Den Himmel des Erlik zerschmetterte er mit dem Speere, alles, was sich dort befand, warf er nieder. Vor dieser Zeit war kein Stein, kein Felsen, kein Bergwald. Als jetzt die Trümmer des Himmels des Erlik zur Erde gefallen, entstanden alle Felsen,97 alle Steine, der Bergwald, die hohen Berge und alle Bergrücken, das von Gott geschaffene, gute, ganz ebene Land wurde alles schlecht. Darauf warf Mandy-Schire die Unterthanen des Erlik vom Himmel zur Erde nieder. Einige stürzten ins Wasser und[161] starben, einige fielen aufs Vieh und starben, einige fielen auf aufrechtstehende Bäume und starben, einige stiessen mit gehenden Menschen zusammen, einige fielen auf Steine und starben, alle starben.

Jetzt erbat Erlik von Gott Land. »Meinen Himmel hast du zerbrochen, jetzt habe ich kein Land, gieb mir ein wenig,« sagte er. Gott sprach: »Nein, ich gebe dir kein Land.« Erlik sprach: »Gieb mir doch nur einen Acker Landes.« Gott sprach: »Nein, ich gebe dir gar kein Land.« Erlik sprach: »Gieb mir fünf Klafter Land.« Auch nicht einmal fünf Klafter Land gab ihm Gott. Jetzt stiess Erlik mit dem Stocke, den er in der Hand hatte, in die Erde und sprach: »Ach, mein Gott, gieb mir doch soviel Land, als die Spitze dieses Stockes beträgt.« Gott lachte und sprach: »Soviel Land, wie unter diesem Stocke liegt, nimm.«

Jetzt begann Erlik auf diesem kleinen Stückchen Land einen Himmel zu bauen. Aber Gott sprach: »Gehe nach unten; unter die Erde hinunter baue ihn, dort befestige dich. Steige hinab zum Boden der Hölle, mit Schichten umschliesse dich. Oben brenne ein unauslöschbares Feuer, nie und nimmer mehr wirst du der Sonne oder des Mondes Licht sehen. Einstmals, am Ende der Welt werde ich dich richten; wenn du dich gut führst, werde ich dich in mein Licht führen, wenn du schlecht bist, werde ich dich noch einmal so weit entfernen98, so soll es sein.« Erlik sprach: »Ich gedenke alle toten Menschen mit mir zu nehmen.« Gott sprach: »Die gebe ich durchaus nicht.« Der Teufel sprach: »Ach Gott, wenn es so ist, dann habe ich ja gar keine Unterthanen; ich bin jetzt in die Erde hinabgestiegen, was soll ich allein anfangen.« Gott sprach: »Was fragst du mich, mache wie du denkst, du mögest dir selbst Menschen schaffen.« Da verneigte sich Erlik vor Gott: »Wenn du deinen Segen giebst, so werde ich schon schaffen.« Gott gab den Segen. Erlik machte einen Blasebalg und eine Zange legte er unter, schlug einmal mit dem Hammer auf, unter dem Hammer sprang ein Frosch hervor; wiederum schlug er einmal, da[162] ringelte sich eine Schlange hervor; abermals schlug er, da kam ein Bär hervor und lief davon; nochmals schlug er, da kam ein wildes Schwein hervor; noch einmal schlug er, da kam ein Almys (böser, behaarter Geist) hervor; nochmals schlug er auf, da kam ein Schulumys (böser Geist) hervor; wiederum schlug er auf, da kam ein Kamel hervor.

Gott kam jetzt und warf des Erlik Blasebalg, Zange und Hammer ins Feuer: aus dem in das Feuer geworfenen Blasebalge entstand eine Frau, aus der Zange und dem Hammer entstand ein Mann. Gott nahm das Weib, spie sie an und es wurde zu einem Vogel, es wurde ein Reiher (Kordoi), mit dessen Flügeln man nicht den Pfeil befiedert, dessen Fleisch der Hund nicht frisst, der den Sumpf stinkend macht, Gott spie den Mann an, da wurde er eine Ratte (Jalban), deren Füsse lang sind, die keine Hände hat, die des Hauses Schmutz ist, die die alten Sohlen der Stiefel frisst.

Darauf sprach Gott zu den Menschen: »Ich habe euch Vieh gemacht, ich habe euch Speise gemacht, ich habe schönes, reines Wasser auf der Oberfläche der Erde fliessen lassen, dass ihr es trinket; ich habe euch geholfen, thut ihr mir nun auch Gutes! Jetzt will ich zurückkehren, schnell komme ich nicht wieder. Du bist von meinen Menschen, Schal-Jime; einen Menschen, der Branntwein getrunken hat, kleine Kinder, Füllen, Kälber, Lämmer behüte du, Schal-Jime! Den Menschen, der gut gestorben, nimm; wer sich mit der Flinte erschossen, selbst getötet, den nimm nicht, den wirf fort. Wer im Kampfe mit anderen gestorben, den bringe in mein Land. Den Menschen, der den Seichen etwas entwendet, den, der andere angefeindet, den nimm nicht, den wirf fort; wer um meinetwillen, um des Fürsten willen, gestorben, den bringe in mein Land. Ich habe geholfen, den Teufel habe ich entfernt, habe ihn von euch geschieden; wenn der Teufel euch jetzt nahe kommt, so gebet dem Teufel Speise, aber des Teufels Speise esset nicht. Wenn ihr des Teufels Speise esset, so werdet ihr des Teufels Unterthanen sein; vergesset meine Worte nicht! Wenn ihr mich anrufet, so werdet ihr[163] auf meinem Rockschosse sitzen. Ich werde jetzt fortbleiben, wenn ich auch lange ausbleibe, so werde ich doch kommen; vergesset mich niemals, vergesset nicht, dass ich komme. Denket, dass ich wirklich komme. Ich gehe jetzt weit, wenn ich zurückkomme, werde ich euer Gutes und Böses zu jener Zeit sehen. An meiner Stelle wird euch jetzt Japkara, Mandy-Schire, Schal-Jime helfen. Japkara, sieh gut zu! Wenn Erlik den toten Menschen nehmen will, so sage es dem Mandy-Schire; Mandy-Schire ist stark; er möge den Erlik besiegen. Schal-Jime, sieh gut zu, die bösen Geister mögen unter der Erde bleiben; wenn sie auf die Oberfläche der Erde emporkommen, so sage es dem Mai-Tere, Mai-Tere ist stark; er möge sie besiegen. Podo-Sünkü möge die Sonne und den Mond befestigen; Mandy-Schire soll die Erde und den Himmel bewachen. Mai-Tere wird den Bösen vom Guten fern halten. Mandy-Schire, du kämpfe; wenn dir die Kraft kommt, so rufe mich an, wirf nicht den einen fort, wenn du ihn für böse hältst. Bei der Hinterlassenschaft eines Toten möge alles gleich sein. Wenn du einen Fürsten für schlecht hältst, so verstosse nicht seine Unterthanen als böse. Wenn du einen Fürsten für gut hältst, so nimm nicht alle Unterthanen als gut zu dir; unterrichte den Menschen in allem Guten. Lehre ihn Fische angeln, lehre ihn mit dem Netze Fische fangen, lehre ihn Eichhörnchen schiessen, lehre ihn das Vieh weiden, leite ihn zu allem Guten, als wenn ich es selbst wäre.«

Darauf entfernte sich Gott.

Mandy-Schire blieb zurück, machte eine Angel und angelte. Spann Hanf, machte Netze, machte Böte und fischte mit dem Netze; machte ein Gewehr, machte Pulver und schoss Eichhörnchen. So ging er ihnen in allerlei Gutem nach dem Worte Gottes voran, unterrichtete sie in allem. Eines Tages sprach Mandy-Schire: »Der Wind wird mich heute fortführen.« Ein Wirbelwind entstand und nahm den Mandy-Schire fort.

Japkara sprach: »Den Mandy-Schire hat Gott selbst[164] genommen, suchet ihn nicht, ihr werdet ihn nicht finden. Ich bin Gottes Bote und werde jetzt auch zurückkehren, ich werde zu dem Lande gehen, wo Gott mich wohnen lässt. Lasst nicht ab von dem, was ihr gelernt habet, die von Gott gegebene Kraft ist dies.« So sprechend, ging er fort.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1898, S. 155-165.
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