Der Fisch im Wasser und die Ratte.

[297] Der Fisch sagte zur Ratte: »Höre, Ratte!« Die Ratte: »Was ist es?« Der Fisch: »Lass uns Freundschaft schliessen.« Die Ratte: »Was für Freundschaft?« Der Fisch: »Geh! hole die Leber des Krokodils drunten mitten im Wasser und gieb sie mir zu essen, dann gehe ich auch und hole dir ein Ei von dem Huhn des Menschen, aus dem Hause und gebe es dir zu essen.« Da stimmte die Ratte zu und ging weg, um einen Weg zu suchen, auf dem sie zu der Leber des Krokodils gelangen könne. Nun stand eine Kokospalme am Ufer des Flusses, die sich über das Wasser neigte und in dem Flusse waren sehr viele Krokodile; wenn eine Frucht ins Wasser fiel, dann schnappten sie dieselbe gleich weg und frassen sie auf. Darum kletterte die Ratte in die Krone der Palme und durchlöcherte die äussere Schale einer Nuss, mitsamt der inneren und richtete sich wohnlich darin ein, und als sie damit fertig war, durchnagte sie den Stiel, aber nicht ganz, etwas liess sie, etwa so dick wie ein Haar. Dann ging sie hinein und als sich ein Wind erhob, da riss das, was sie vom Stiel übrig gelassen hatte, und die Nuss fiel herunter, und ein Krokodil verschluckte sie ganz, mit der Ratte darin, und die Ratte biss nun die Leber des Krokodils[297] ab und trug sie in die Nuss hinein. Und etwa zwei Tage darauf ging das Krokodil hin und spie die Nuss mitsamt der Ratte ans Ufer, und als das Krokodil sie ausspie, lief die Ratte weg und nahm die Leber des Krokodils mit. Sie ging zum Fisch und sagte: »Hier ist deine Krokodillenleber, Fisch, aber erst gieb mir das Hühnerei, dann erst gebe ich sie dir.« »Warte,« erwiderte der Fisch, »ich gehe jetzt, um es zu holen.« Darauf ging der Fisch und begab sich in die Wasserleitung, und als eine Frau kam zum Wasserholen und ihr Wassergefäss unter den Strahl hielt, da schwang er sich in das Gefäss hinein. Und die Frau ging heim und stellte ihre Tracht Wassergefässe unter das Haus, neben die Leiter und nicht weit davon war der Behälter für die Hühnereier und der Fisch ging und holte und kehrte zurück in das Gefäss. Als man dann das Wasser verbraucht hatte, aus dem Gefässe, da holte man wieder und nahm auch das Gefäss mit, in dem sich der Fisch befand und als es unter den Strahl gehalten wurde, da schwang sich der Fisch wieder ins Wasser und nun tauschten die beiden ihre Beute aus.165

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Anthologie aus der asiatischen Volkslitteratur. Weimar: Verlag von Emil Felber, 1898, S. 297-298.
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