3. Die verzauberte Weinkanne oder weswegen Hunde und Katzen Feinde sind.

[53] Vor langen Jahren lebte an dem Ufer eines grossen Flusses, an der Stelle, wo die Bote zu landen pflegten, ein alter Mann mit schneeweissem Haar.

Er war arm, aber ehrlich und gut, hatte weder Weib noch Kind und ernährte sich durch einen Weinausschank. So klein sein Geschäft auch nur war, so hatte dasselbe doch in der ganzen Gegend einen guten Ruf, weil der Wein von der besten Sorte war und der Alte weder Zank noch Schlägereien bei sich erlaubte. Er zog auch die Kundschaft, die nur zu ihm kam Wein zu kaufen, derjenigen vor, welche kam, um bei ihm zu trinken. Er schien nie auf Reisen zu gehen, neue Einkäufe zu besorgen und sein Weinvorrat ging nie zu Ende. Immer schenkte er nur aus der nämlichen Kanne und niemand hatte gesehen, dass der Alte Fässer im Hause hielt, aus denen er seine Kanne füllte und doch blieb diese Kanne stets gefüllt, mochten so viel Leute kommen als da wollten. Die getrocknete, langhalsige, gelbe Kürbisflasche war durch den langen Gebrauch schon ganz schwarz geworden und glänzte wie poliert. Wunderlich war es auch, dass der Schankwirt nicht zu altern schien, er behielt immer dasselbe Aussehen, wie vor undenklichen Zeiten.

All dieses war schon so stadtbekannt, dass gar nicht mehr darüber gesprochen wurde – es sei denn, dass einmal[53] ein Fremder kam, den der sonderbare Krug auffiel und der die Leute danach ausfragte; auch der verliess dann den Platz mit derselben Meinung, dass der Alte ein guter Mann sei, sein Wein aber noch besser. Im übrigen kümmerte sich niemand darum wo der Wein herkam, solange es immer dieselbe gute Sorte war, die man erhielt.

Man gewöhnt sich eben an Alles.

Die einzigen Genossen, mit denen der alte Mann lebte, waren ein Hund und eine Katze und mit ihnen teilte er auch sein Bett und seine Mahlzeit. Es gab in der ganzen Welt keinen klügeren Hund, obgleich man nicht gerade behaupten konnte, dass er hübsch war. Sehr geduldig und gutmütig von Natur, wurde er nur ungemütlich, wenn sein Herr von irgend einem Kunden Unbill erlitt, oder wenn ihn die Flöhe von allen Seiten angriffen, – dann aber kam ihm die Katze zu Hilfe und bald waren die Feinde besiegt.

Der Kater war ein Original. Zwar schon langst über die Jahre hinaus, in welchen Katzen sich die grösste Mühe geben ihren eigenen Schwanz zu fangen, war er doch eben so hoch als übermütig. Wenn er seinen Freund, den Hund, schlafen sah, vergnügte er sich manchmal damit, ihm eine tote Ratte auf die Nase fallen zu lassen. Der Hund, auf so unangenehme Weise aus dem Schlaf geweckt, fuhr erschrocken in die Höhe und jagte dann, wie vom Bösen besessen im Zimmer umher, während der schadenfrohe Kater ein sehr würdevolles Gesicht machte, wie die Unschuld selbst, sich über die schlechten Manieren seines Freundes zu wundern schien, einen Katzenbuckel machte und den Schwanz dick aufgeplustert kerzengerade in die Höhe streckte.

Mit ihrem Herrn lebten beide Tiere aber in der grössten Eintracht. Ging der Alte abends vor die Thür, um seine Pfeife zu rauchen, so begleiteten sie ihn und bewiesen durch ihr Gebell und Miauen der Nachbarschaft, dass sie noch vergnüglich lebten und zu jederzeit bereit wären, es mit den besten ihres Geschlechtes im Kampfe aufzunehmen.[54]

Dem Alten war es nicht immer so gut ergangen wie jetzt, wo er den Weinhandel betrieb. Er hatte auch Zeiten gekannt, in welchen er nicht wusste woher er seinen Reis für den nächsten Tag nehmen sollte; seine guten Tage zählten erst von der Zeit, wo er den letzten Trunk aus seiner Weinflasche einem müden, alten Bettler gegeben hatte. Als derselbe sich an dem Wein gelabt hatte, gab er dem Alten einen kleinen Stein, welcher wie Bernstein aussah und sagte: »Hier Alter, wirf das in deine Flasche und solange der Stein darin bleibt wird es dir nie an Wein fehlen.«

Der Alte that wie ihm der Bettler geheissen und siehe da, die leere Flasche ward wieder voll und der Alte mochte so viel trinken, wie er nur konnte, die Flasche blieb immer voll und leerte sich nie. Nun betrachtete er sie von allen Seiten, nahm immer wieder einen Schluck, schüttelte sie und trank noch einmal. Dann guckte er hinein und trank von neuem, bis ihm der alte Bettler einfiel, dem er doch nun auch noch einen Trunk anbieten wollte. Doch, siehe da, der Bettler war verschwunden. Weil er nun niemand von seinem Weine anbieten konnte, so trank er allein weiter; das machte ihm aber kein Vergnügen und er dachte bei sich, er könne doch unmöglich den ganzen Tag über trinken, denn da würde er sich berauschen und es käme dann vielleicht jemand, der ihm seine Flasche raubte. So kam er auf den Gedanken einen Weinausschank zu eröffnen. Mit welchem Erfolg sahen wir schon. Er war jedoch weise genug sein Geschäft ganz klein und in der Stille zu betreiben, um nicht die Habgier diebischer Beamten zu erwecken. Nur der Hund und die Katze wussten um das Geheimnis und sie liessen das Gefäss nie aus den Augen.

Doch jedes Ding währt seine Zeit, so auch hier und der Weinausschank nahm ein plötzliches Ende.

Eines Tages erzählte man sich in der Nachbarschaft, die Flasche des alten Schankwirts sei leer und er könne sie nicht wieder füllen. Bald versammelten sich viele Neugierige in[55] seinem Hause und er musste ihnen mit Bedauern sagen, dass das Gerücht wahr sei.

Der Hund nahm sich die Sache sehr zu Herzen; er sass aufrecht da, den Kopf zur Erde gesenkt und seine langen Ohren hingen zu beiden Seiten herunter, so dass es fasst den Anschein hatte, als wenn er schliefe.

Der alte Kater hingegen war vor grosser Aufregung in steter Bewegung und sprang bald auf den Schanktisch, bald wieder herunter und als er bemerkte, dass niemand von ihm Notiz nahm, sprang er schliesslich vom Tisch auf einen Balken, dicht unter der Zimmerdecke und passte den Ratten auf.

Alle Nachbarn bemitleideten den Alten; doch noch mehr des guten Weines halber, den er nun nicht mehr ausschänkte, als seiner selbst wegen und der arme alte Mann ward sehr traurig. Nachts, wenn er schlafen ging, sprach er laut vor sich hin und dachte darüber nach, woher ihm wohl sein Unglück gekommen sei? Er fand schliesslich keine andere Erklärung dafür, als dass er den Stein in eines Kunden Flasche hatte fallen lassen, während er aus seiner Kanne Wein goss.

Hund und Katze sassen dann bei ihm und hörten aufmerksam seinem Selbstgespräche zu. Sie blinzelten einander an und ratschlagten, auf welche Weise sie ihrem guten Herrn wohl wieder zu seinem Steine verhelfen könnten, denn auch ihnen war es klar, dass der Stein in eines Kunden Flasche gefallen war. Als der Alte endlich schlief, besprachen die Tiere die Sache ganz eingehend.

»Ich bin ganz sicher den Stein zu finden,« sagte der Kater, »wenn ich ihn nur riechen könnte; doch dazu müsste ich ganz nahe daran sein. Aber, wo ihn suchen? Das ist die Hauptsache.«

Darauf erwiderte der Hund: »Wir müssen eben jedes Haus in der Nachbarschaft durchsuchen. Wir können zu einem gewöhnlichen Besuch (Kuk Kyung) gehen und während du die Katzen im Hause besuchst, wobei du nicht versäumen[56] darfst den besten Gebrauch von deiner Nase zu machen, will ich mich mit den Hunden ausserhalb des Hauses unterhalten (yay gee); sobald du etwas gerochen hast, kommst du zu mir heraus und sagst es mir.«

Gesagt, gethan. Noch in derselben Nacht begannen die Tiere ihre Runde. Die erste Nacht war erfolglos; so die zweite und die dritte, was die Tiere aber keinesfalls entmutigte, denn sie setzten ihre nächtlichen Besuche beharrlich fort.

Einige Male wurde ihr Besuch aber auch nicht angenommen und ein anderes Mal setzte es erst heisse Kämpfe, ehe sie ihr Vorhaben ausführen konnten. Kein Haus wurde übergangen und nachdem sie überall gewesen waren, hatten sie doch noch nicht gefunden, was sie suchten. Nun beschlossen sie die Häuser auf der anderen Seite des Flusses zu besuchen, denn sie kamen zu der Ansicht, der jetzige Besitzer des Steines müsse wohl auf dem gegenüberliegenden Ufer wohnen. Aber nun mussten sie warten bis der Fluss zugefroren war, damit das Eis ihnen eine Brücke sei, denn sie wussten es wohl, dass man es ihnen nicht erlauben würde in den Passagierboten mit überzusetzen. Der Hund hätte auch wohl jetzt hinüberschwimmen können, denn das verstand er, aber in der Jahreszeit war ihm das Wasser zu kalt.

Als nun endlich der Fluss zugefroren war, gingen die beiden treuen Tiere zwei Monate lang allnächtlich nach dem jenseitigen Ufer und kehrten jeden Morgen erfolglos zu ihres Herrn Haus zurück. Der Alte verliess seine Wohnung nur, um für seine Sparpfennige Lebensmittel einzukaufen. Die Zeit verging und der alte Mann, der ganz menschenscheu geworden war, glaubte seine beiden Tiere hätten ihn ebenso verlassen, wie seine Kunden, weil sie sich gar nicht vor ihm sehen liessen.

Mittlerweile war der Frühling ins Land gezogen, ohne dass die zwei vierbeinigen Kameraden einen Erfolg mit ihren Nachforschungen erzielt hätten. Eines Tages jedoch, als der Kater wieder auf dem Dache eines Hauses umherjagte,[57] kam ihm ein so bekannter Geruch in die Nase, dass er beinahe vor Ueberraschung durch die Decke auf den schlafenden Hausbesitzer gefallen wäre, denn er wusste sogleich, dieser Duft konnte nur von dem Steine herrühren. Der Kater spürte ihm nach und fand, dass er einem steinernen Tabakskasten entströmte. Der jetzige Besitzer des Steines musste ihn also aus seiner Weinflasche genommen und hierher gelegt haben, ohne seinen Wert zu kennen, wenn er ihm auch zu wertvoll erschienen sein mochte, um ihn ohne weiteres auf die Strasse zu werfen. Der Deckel des Tabakskasten schloss jedoch so fest und genau, dass man denken konnte, er bestände aus einem Stück und der Kater war nicht im stände ihn zu öffnen. Er ging also zu seinem Freunde, dem Hunde, und erzählte ihm, was er gefunden. Nun überlegten beide wie sie sich wohl in Besitz des Kleinods setzen könnten. Der Hund bedauerte es sehr, dass er nicht auch auf das Dach klettern konnte, sonst würde er die Kiste herunter holen. Darauf meinte der Kater, ihm sei sie viel zu schwer, sonst würde er sie umwerfen damit sie zerbräche. So war denn guter Rat teuer. Nachdem sie noch eine Weile hin und her überlegt hatten, kam dem Hunde folgender Gedanke: »Du gehst nun zum Chef der Rattenkolonie, die in diesem Hause wohnt,« sagte er zur Katze, »und machst ihm den Vorschlag, wenn er uns in dieser Angelegenheit beistehen würde, so wollten wir uns verpflichten, während voller zehn Jahre Frieden mit den Ratten zu halten, ja selbst keiner Maus in ebenso langer Zeit etwas zu Leid zu thun.«

»Wozu sollte das wohl nützen?« fragte die Katze verächtlich.

»Weisst du denn nicht, dass diese Art Stein weicher als Holz ist?« erwiderte der Hund. »Wenn nur der Rattenchef seine Untergebenen abwechselnd, unaufhörlich an einer Stelle nagen lässt, so wird bald ein Loch entstehen und dann können wir ganz leicht zu dem Steine gelangen.«

Dies sah der Kater ein, beugte sich vor der Weisheit[58] seines Freundes und machte sich sogleich auf den Weg, um eine Unterredung mit dem Rattenchef einzuleiten.

Während der Dauer derselben ging der Hund mit grossen Schritten vor dem Hause auf und nieder, wedelte mit dem Schwänze und versuchte es, einen Beamten nachzuahmen, der oft an der Wohnung seines Herrn vorüberging und der durch seine vornehme Haltung und sein stolzes Benehmen stets besser als andere Leute erscheinen wollte. Als jedoch der Kater von seiner Konferenz zurückkam, war er höchst erstaunt, seinen würdigen Freund im Kampfe mit anderen Kötern zu finden, welche an seinem Eigendünkel und seiner Unverschämtheit Aergernis genommen hatten. Weil er seinem Kameraden nicht anders zu helfen wusste, sprang er auf eine Mauer und fing so jämmerlich an zu miauen, dass die Einwohner der naheliegenden Häuser, von dem Lärm erweckt, herauskamen und die sich balgenden Hunde verjagten.

Der Hund des alten Schankwirts bedankte sich nicht einmal bei dem klugen Kater für seinen Beistand, liess sich aber erzählen, wie die Unterredung verlaufen war. Nachdem die Ratte sich davon überzeugt hatte, dass die Katze wirklich nichts Böses im Schilde führte, kam sie mit ihr bis an den Tabakskasten und hörte an Ort und Stelle ihr Anliegen an. Dann wurde der Kontrakt gleich in Ordnung gebracht; der Rattenchef hatte seine Ratten an die Arbeit zu schicken, um sie in den Kasten ein Loch nagen zu lassen, durch welches man bis an den Wunderstein gelangte; wenn es gross genug geworden, müsse er den Kater davon benachrichtigen.

Unterdessen war das Eis auf dem Flusse aufgetaut, wodurch unserem wackeren Paare der Rückzug abgeschnitten ward, sodass sie ganz und gar an diesem Ufer bleiben mussten und so gut lebten, wie sie es unter den obwaltenden Umständen konnten. Sie schlössen manche Freundschaften, machten sich aber im ganzen doch mehr Feinde als Freunde, weil sie keine Gelegenheit vorübergehen liessen, sich mit ihresgleichen zu raufen.[59]

Eines Tages war schönes warmes Wetter und der Kater sass auf dem Dache des Hauses, aus dem ihm der Wunderstein in die Nase duftete und beobachtete eine dicke Ratte, welche sich bei ihm vorbei zu schleichen schien. Er machte sich schon sprungbereit, als ihm zum Glück noch der Kontrakt einfiel, nach dem er die Ratten verschonen musste. Und das war nur gut, sonst wäre ihr Plan gleich zu Wasser geworden, denn die dicke Ratte war niemand anderes, als der Rattenchef, der ihm Botschaft bringen wollte. Das Loch sei nun fertig, sagte die Ratte, aber es sei nach innen so eng geraten, dass man nicht wüsste, wie der Stein heraus zu bekommen wäre, es sei denn, dass die Katze versuchte, ihn mit der Pfote heraus zu holen.

Diese beratschlagte nun mit dem Hunde, den sie sogleich aufgesucht hatte, was zu machen sei, und dann gingen beide hin, sich die Sache anzusehen. Freilich konnte die Katze die Pfote in das Loch stecken, aber nicht den Stein erreichen, der am anderen Ende des Kastens lag. Darüber waren sie schon ganz entmutigt, als der Hund nach kurzem Nachdenken wiederum den Ausschlag durch einen guten Rat gab: Eine Maus müsse hinein kriechen und den Stein herausholen, meinte er.

Hineinkommen ging auch ganz leicht, um so schwerer war aber das Herauskommen. Nach vielen vergeblichen Versuchen, nach schmerzlichem Quetschen und Drängen gelang es endlich einem schlanken Mäuslein mit dem Steine aus dem Tabakskasten heraus zu kommen und der Hund nahm ihn sogleich in Verwahrung.

Nachdem das Geschäft so weit erledigt war, wurde die Freundschaft noch einmal mit vielem Wedeln von Seiten des Hundes und mit lautem Schnurren seitens der Katze erneut und befestigt. Die Ratten gingen dann voll Freude über ihre Sicherheit nach Hause und die beiden treu Verbündeten machten sich auf den Weg, ihrem Herrn den wiedergefundenen Stein zu bringen.[60]

Nun musste der Hund wieder mit seiner Klugheit ausfindig machen, wie der Fluss zu passieren sei. Und das war keine Kleinigkeit. Endlich kamen sie darin überein, dass der Kater den Stein in den Mund nehmen, ihn dort gut festhalten sollte, sich selbst aber an den Hund anklammern, der ihn auf den Rücken nehmen und mit ihm den Fluss durchschwimmen wolle. Nachdem der Hund dem Kater die besten Verhaltungsregeln gegeben und ihn ernstlich zur grössten Vorsicht ermahnt hatte, traten sie ihre Reise an.

Alles ging vortrefflich von statten; als sie aber beinahe das Ufer erreicht hatten, bemerkten einige der dort spielenden Kinder das wunderbare Paar und brachen in ein lautes Gelächter aus; einige wälzten sich vor Lachen auf dem Boden, denn sie fanden das Bild, welches sich ihnen darbot, gar zu komisch.

Der Hund war zu müde und abgespannt, um sich um die lachenden Kinder zu kümmern, die Katze lachte aber selbst so herzlich mit, dass sie bei den dadurch verursachten Bewegungen den Kopf des Hundes unter Wasser tauchte, sodass das arme Tier mehr Wasser schluckte, als ihm lieb war. Dies machte den lustigen Kater nur um so übermütiger, sodass er alle Mühe hatte, sich an den Haaren des Hundes fest zu halten. Endlich aber übertrieb er sein Lachen so sehr, dass er das Maul aufriss und dabei vergass, dass er den Stein auf der Zunge liegen hatte, der nun ins Wasser fiel. Kaum hatte der Hund den Unfall bemerkt, als er sofort nach dem Steine tauchte, um ihn zu erhaschen, dabei seinerseits vergessend, dass ihm die Katze auf dem Rücken sass. Diese, welche grosse Angst vor dem Wasser hatte, krallte sich so fest an den Hund an, dass dieser sich vor Schmerz umdrehte und dann den Stein nicht mehr erschnappen konnte, nach welchem er getaucht hatte. Da liess sich der Kater los, der allen Halt verloren hatte und schwamm, vor Angst mutig geworden, allein ans Land.

Sobald der Hund das Ufer erreicht hatte, schüttelte er sich das Wasser aus dem Fell und sprang dann voll Zorn[61] auf den Kater zu, der durch seinen Leichtsinn die Mühe eines halben Jahres in einem Augenblicke zu nichte gemacht hatte. Dieser gewann aber noch gerade so viel Zeit, einen Baum zu erklettern, auf dem er bis zu Sonnenuntergang sitzen blieb.

Während ihm nun die liebe Sonne den Pelz trocknete, spuckte er das unfreiwillig genossene Wasser dem Hunde an, und hielt ihn sich unter fortwährendem Fauchen und Pusten vom Leibe, dass dieser in seinem Zorne nichts anzufangen wusste, als immer um den Baum herum zu rennen und zu bellen. Weil der Kater übrigens auch wusste, dass mit dem Hunde nicht gut Kirschen essen sei, wenn er so wütend bellte, so blieb er ruhig sitzen und hatte dabei nur die einzige Sorge, dass unartige Kinder ihn mit Steinen werfen können. Nach Sonnenuntergang kam er herunter, nahm sich aber sehr in acht, dem Hunde in den Weg zu kommen, mit dem er sich nie mehr ausgesöhnt hat.

Der Hund tauchte noch oft nach dem Steine, aber stets vergebens. Er schien überhaupt nur noch zwei Wünsche in seinem Leben zu haben: den Wunderstein wieder zu finden und die Katze zu würgen.

So kam der Winter wieder und bedeckte den Fluss mit Eis. Da ging eines Tages ein Mann an das Ufer und hackte ein Loch in die Eisdecke, um Fische zu fangen. Unser Freund sah eifrig zu und als der erste Fisch gefangen und auf das Eis gelegt worden war, sprang der Hund flink hinzu, nahm den Fisch fort und brachte ihn seinem alten Herrn, der unterdessen so arm geworden war, dass er betteln musste. Er freute sich daher nicht wenig, dass ihm sein treuer Hund einen so schönen Fisch brachte und machte sich sogleich daran, ihn für die Mahlzeit zuzubereiten.

Wer beschreibt aber das Erstaunen beider, als der so lang gesuchte Stein aus dem Fisch herausfiel!

Der Hund wusste sich garnicht vor Freude zu lassen, sprang an seinem Herrn empor, leckte ihm das Gesicht und[62] die Hände und bellte wie närrisch. Als sich ihre gemeinsame Freude etwas gelegt hatte, ging der Alte an seinen Kleiderschrank, holte seinen besten Anzug hervor, den er am vergangenen Tage bereits dem Trödler zum Kauf angeboten hatte, kleidete sich an und steckte seinen letzten Heller in die Tasche, um sich ein wenig Wein zu kaufen, wohl wissend, dass nun seine Not zu Ende sei. Unterdessen legte er den Fisch auf den Rost, damit er langsam brate, bis er von seinem Gange wieder heimkehrte; dann assen sie ihn beide auf, und er mundete ihnen vortrefflich.

Als der Alte seinen guten Anzug wieder in den Schrank hängen wollte, erblickte er zu seinem höchsten Erstaunen gerade einen eben solchen, wie er herausgenommen hatte, darin hängen und in der Tasche ein eben solches Geldstück, wie er vorher zu sich gesteckt hatte.

Nun sah er erst ein, welchen wunderbaren Stein er besass und dass er sich durch dessen Zauberkraft noch ganz andere Sachen, als nur Wein verschaffen konnte. Er ward immer reicher und reicher, da er jedwedes Ding, welches er besass, verdoppeln konnte. Für seinen treuen Hund sorgte er aufs beste und dieser hat bis an sein Ende nie eine Ratte getötet, aber auch nie eine Gelegenheit vorüber gehen lassen, sich an Katzen zu rächen.

Heutigen Tages kann man noch sehen, wie die Katzen den Hunden aus dem Wege gehen, denn schon der Anblick eines Hundes erinnert die Katzen an das Abenteuer ihres Vorfahren – wie er den ganzen Tag auf dem Baume sitzen musste und an das kalte Bad vorher.

Unwillkürlich fangen sie an zu spucken, gerade als wenn sie mit Flusswasser angefüllt wären und dabei geht ihnen der Schwanz kerzengerade in die Höhe, eine Stellung, die sie sonst nie einnahmen, bis damals, als der Kater nass und frierend auf dem Baume sass und sich von der Sonne den Pelz trocknen liess.[63]

Quelle:
Arnous, H.G.: Korea. Märchen und Legenden nebst einer Einleitung über Land und Leute, Sitten und Gebräuche Koreas, Leipzig: Verlag von Wilhelm Friedrich, [1896], S. 53-64.
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