Die Seebergsjungfer.

[143] Geht man von Eisenberg (am Erzgebirge) auf dem Fußwege nach der Hütt' und nach dem Orte Kunersdorf, so kommt man aus dem Walde auf die Heide, die sich von Eisenberg bis gegen Kunersdorf, und vom alten Seeberg bis hinab an die Straße ausbreitet. Der untere Theil besteht aus schönem Wiesengrunde, den man nur die »Hoderwies« nennt. Neben dem Eisenberger Walde liegt ein kleiner stark mit Schilf bewachsener Teich der »Hoderwiesteich« genannt. Gegenüber demselben einige hundert Schritte aufwärts quillt aus steinigtem Boden ein Bächlein. Diese Quelle hält sehr gutes Wasser, welches immer rein und kühl ist, und heißt das »Quackbrünn'l.«

Vor Zeiten kam oft die Seebergsjungfer herab, um sich in dem Teiche zu baden. Die Hütbuben, welche das Vieh auf der Haderwiese weideten, sahen sie oft dahin kommen. Sie war[143] halb Fisch und halb Mensch. Einstmals war nur ein Junge auf der Wiese. Da stund auf einmal die Seebergsjungfer vor ihm und fragte, ob er sie wohl erlösen möchte, so wolle ihm so viel Geld geben, daß er die Haderwiese kaufen könnte. Der Junge war damit zufrieden. Hierauf sagte sie ihm, er solle sich jetzt vom Teiche entfernen, und nicht eher kommen, als bis sie ihm winken würde. Wenn er ohne Erlaubniß komme, so werde es ihm nicht gut gehen. Der Hütjunge lief eiligst weg, und während er nach seinem Vieh sah, badete sich die Seebergsjungfer in dem Teiche. Als sie fertig war, winkte sie dem Hütjungen. Der kam und schimpfte und warf mit Steinen nach ihr. Weinend kehrte sie nach dem Seeberge zurück und in der folgenden Nacht hörte man sie bis hinab nach Barthelsdorf weinen und jammern. Lange Zeit kam sie nicht mehr, um zu baden. Auch erschien sie den Leuten oft in Gestalt eines alten Weibes.

Eines Tages gieng ein Weib von Eisenberg in den »Busch,« um Holz einzuführen. Als sie am Seeberge ankam, ihre Huck (ein Bündel Aeste) niedersetzte und Holzstücke »aufklaubte,« sah sie ein altes Weib, welches ihrer Arbeit mit Aufmerksamkeit zusah. »Wohin geht Ihr?« fragte das Eisenberger Weib. »In's Gebarch'sche!« (über's Gebirge) antwortete die Alte und verschwand vor den Augen des Holzweibes. Diese hatte aber gesehen, daß sie hinter sich einen Fetzen von ihrem Kleide nachschleppte; es war also die Seebergsjungfrau gewesen. (Vernaleken, Mythen und Br. S. 197.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 143-144.
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