Der Wassermann [148] (Vodník).

Der Name des Wassermanns kommt in den altböhmischen Quellen nicht vor; jetzt heißt er vodník oder Hastermann. In jedem Flusse oder Bache, in jedem Teiche hält sich der Wassermann auf und zwar in jedem Gewässer ein anderer. Es können in einem Flusse mehrere dieser Geister sein, jedoch leben sie weit von einander entfernt und ohne gegenseitige Hilfeleistung; denn sie hassen einander. Ueberhaupt leben sie vereinsamt entweder als Junggesellen oder mit ihrer Familie zusammen. Sie[148] sind leidenschaftlich, können Liebe und Haß empfinden und gehen auch mit menschlichen Frauen zärtliche Verhältnisse ein.

Der Wassermann, der im Teiche lebt, hält sich im Schilfe auf und wird mehr thierischer gedacht, als der Wassermann im Flusse. Dieser lebt unter dem Wasser, wo sich eine eigene Welt ausbreitet. Dort ist es nie Nacht und niemals kalt; das Land ist ohne Berge und unfruchtbar, jedoch gibt es üppige Wiesen und wunderschöne Auen. In der Mitte derselben erhebt sich ein Krystallpallast, wo der Wassermann wohnt und die Seelen der Ertrunkenen in Töpfen aufbewahrt.

Die Menschen lockt der Wassermann größtentheils durch List ins Wasser, um sie zu ertränken. Zuweilen hat er auch über den Fluß ein Netz ausgespannt, das so fein ist, daß es niemand sehen kann und wer hineingeräth, ist auf ewig verloren. Am Freitage ruht der Geist von der Arbeit des Menschenfangens aus. Dieser Tag ist gleichsam der Feiertag des Wassermanns. Alle Netze sind eingezogen. Das grüne Männchen sitzt in dem hohen Grase und flickt an seinen Netzen. Dann kämmt er seine langen grünen Haare, wäscht und reinigt sich. Endlich wirft er sich auf den Rasen und schläft ein. So beschließt er seinen Ruhetag. An diesem Tage soll auch der Eingang in das Land des Wassermanns offen stehen und unbewacht sein. Wer während des Abendläutens badet, über den hat der Wassermann Gewalt. Doch kann der Wassermann niemand ertränken, den nicht das Schicksal dazu bestimmt hat.

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 148-149.
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