Der Dreistein.

[171] Im Riesengebirge an der schlesischen Gränze heißt eine Burg Dreistein, von drei senkrecht stehenden Felsstücken, die sich im inneren Raum der Ruine befinden. Eines Tages hütete ein Hirtenknabe seine Ziegen auf dem Berge; er dachte an seine alte Mutter, die daheim krank lag und nichts verdienen konnte, und das gieng ihm so nahe, daß er laut weinte. Plötzlich hörte er seinen Namen rufen; er wandte sich um und sah ein graues Männlein vor sich, das trug ein rothes Käpplein auf dem Kopfe und hatte einen Bart, der bis auf die Brust reichte. Der Knabe wollte entflieh'n, aber das Männlein rief ihn freundlich zu sich und fragte ihn nach dem Grund seines Weinens. Der Knabe erzählte ihm sein Herzeleid. Da nahm ihn das Männlein, und führte ihn in eine dunkle Grotte, die der Knabe noch nie gesehen hatte. Das Männlein sprach einige Worte, plötzlich erdröhnte ein Donner, ein blendend blaues Licht erfüllte die Grotte und eine Musik tönte aus der Ferne, so süß und schön, als ob Engel gesungen hätten. Das Männlein aber zeigte dem Knaben eine seltsame Blume, und hieß ihn, sie zu pflücken. Dann sprach das Männlein wiederum einige Worte, die Grotte versank unter entsetzlichem Krachen und der Knabe fand sich wieder in der Ruine und hielt noch immer die Wunderblume in der Hand. Wie er aber darauf schaute, war sie lauteres Gold, das die arme Mutter aus aller Noth erlöste. (Fr. Siegmund aus Reichenberg.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 171-172.
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