Der Alp.

[208] Die krankhafte Beklemmung schlafender und träumender Menschen schrieb man den bösen Dämonen zu. Diese Dämonen heißen bei den Deutschen in Böhmen der Alp oder Trud, die in der Nacht umgehen und sich an Mädchen oder an starkbrüstige[208] Männer anklammern, um Milch aus ihnen zu saugen. Daher heißen sie lateinisch suga. Dieses Suga übersetzt das böhm. Wörterbuch des Velešin mit mora. Gegenwärtig nennt man die Trud im Böhmischen můra und den männlichen Alp morous. Das letztere Wort kennt auch schon Wacehrad, der damit das lateinische pilosi übersetzt.1 Die böhmische můra aber oder der morous saugt gegenwärtig nicht bloß Milch, sondern Blut aus dem Menschen, geht also in den Vampyr über. Während er das Blut aussaugt, überfällt den Menschen eine Ohnmacht; beim Erwachen aber bemerkt man am linken Arm einen kleinen rothen Punkt, wie von einem Nadelstich, der aber nicht viel schmerzt. Kommt nun der Alp neunmal hintereinander auf denselben Menschen, so muß derselbe sterben und wird selbst ein Alp. Er kann aber noch beim neuntenmale gerettet werden durch einen Menschen, der noch nie vom Alp gedrückt worden. Wenn der Alp zum neuntenmale kommt, hält ihm der Vertheidiger eine Reliquie vors Gesicht und ruft dreimal: Folge! Dann geht er auf den Kirchhof und der Alp muß ihm folgen. Dort ruft er ihn so oft, als der Alp bereits erschienen ist, im Namen Gottes an, von hinnen zu weichen. Hierauf läßt der Alp den geängstigten Menschen in Frieden. Die Frau, die das erzählte, will selbst in dem Alpe einen verstorbenen Dorfbewohner erkannt haben. Eine Braut war nämlich vom Alp befallen worden und ihr Bräutigam führte ihn gerade auf den Kirchhof, als[209] dies Frau ihnen begegnete, aber sich in ihrer Angst hinter einen Baum versteckte; denn dem Alp hätten die Augen furchtbar geleuchtet.2 – Wie hier Verstorbene als Alpe gedacht werden, so gehen nach einem andern Volksglauben auch die Seelen lebender Menschen Alpdrücken. Insbesondere stehen Personen, deren Augenbrauen zusammengewachsen sind, in diesem Verdachte.

1

Pilosi qui a graecis panites a latinis incubi vocantur, quorum forma ab humana incipit sed bestiali extremitate terminatur. Hanka zbírka, p. 17

2

Mitgeth. v. R. Czermak.

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 208-210.
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