[219] 24. Von der schönen Wirtstochter.

[219] Vgl. Pröhle KM. Nr. 36, Schneller Nr. 50, Zingerle II, 124. In diesen drei M. werden der schönen Wirtstochter auf Veranstaltung ihrer auf ihre Schönheit eifersüchtigen Mutter die Hände abgehauen, und der König heiratet das Mädchen, obwol es ohne Hände ist, während in dem hierin offenbar entstellten sicil. M. der Wirtstochter die Hände erst in Folge des vertauschten Briefes abgehauen werden. Ganz angemessen dem Eingang des M. ist es, wenn, wie dies im sicil. M. und bei Pröhle der Fall ist, die böswillige Briefvertauschung von der Mutter ausgeführt wird; bei Schneller aber thut es die Schwiegermutter, bei Zingerle fehlt die Briefvertauschung, nicht aber die böse Schwiegermutter. Denselben Inhalt wie das M. von der schönen Wirtstochter hat die italienische »Rappresentazione di Stella«, (Giudici, Storia del Teatro in Italia I, 311–358). Stella ist die Stieftochter der Kaiserin von Frankreich. Die von der Stiefmutter in Abwesenheit des verreisten Kaisers bestellten Mörder begnügen sich, der Prinzessin die Hände, die als Wahrzeichen dienen sollen, abzuhauen. Der Herzog von Burgund findet das im Wald verlassene Mädchen ohne Hände und heiratet es. Die Stiefmutter ist es dann wieder, welche die Briefvertauschung ausführt, wie im sicil. M. und bei Pröhle die Mutter. Auch im serbischen M. bei Wuk Nr. 33 beauftragt, wie in der Rappresentazione, eine Stiefmutter in Abwesenheit des zu Felde gezogenen Gatten, der – wie dort der Kaiser – ihr beim Abschiede seine Tochter angelegentlich empfohlen hat, zwei Diener, das Mädchen im Walde zu tödten und ihr die Hände als Wahrzeichen mitzubringen; die Diener vollziehen nur den letzten Befehl; der weitere Verlauf des M. ist eigenthümlich.

Dies M. von der schönen Wirtstochter und die Rappresentazione di Stella sind wahrscheinlich abzuleiten aus der im Mittelalter vielfach behandelten Dichtung1 von der Prinzessin, welche sich, als ihr Vater sie heiraten will, die linke Hand oder auch beide Hände abhaut oder abhauen läßt und dann verstoßen wird – meist wird sie in ein Schiffchen gesetzt und den Wellen überlassen. In mehreren hierher gehörenden Dichtungen verstümmelt sich jedoch die Prinzessin nicht, sondern entflieht heimlich in einem Boot oder wird wegen ihrer Widersetzlichkeit in einem Boot dem Meer preisgegeben oder soll getödtet werden, wird aber von den Mördern verschont. Die im weitern Verlauf der betreffenden Dichtungen dann vorkommende Briefvertauschung wird immer von der Schwiegermutter[220] ausgeführt, nur in der Sage von der Gemahlin des Königs Offa von Westanglien2 ist es der rachsüchtige Vater, der die Briefe vertauscht, wie im sicil. M., bei Pröhle und in der Rappresentazione di Stella die rachsüchtige Mutter.

1

Man s. darüber die Einleitungen D'Ancona's zur Rappresentazione di S. Uliva, Pisa 1863, Wesselofsky's zur Novella della figlia del re di Dacia, Pisa 1866, Merzdorf's zu des Büheler's Königstochter von Frankreich, Oldenb. 1867.

2

Bei Merzdorf S. 8 ff. aus Matthäus Paris.

Quelle:
Gonzenbach, Laura: Sicilianische Märchen. Leipzig: Engelmann 1870, S. 219-221.
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