[77] 53. Antwerpen.

Die alderexcellenste Cronyke van Brabant.

Dits die excellente Cronike van Vlaenderen.

Vaernewyk, Die Historie van Belgis etc.


Brabon kam eines Tages mit mehren Herren und Rittern von Gent, und sie gelangten an eine Stelle, wo viel Ried und Schilf wuchs; da sprach Brabon: »Hier in der Nähe muß gewißlich Wasser sein«, und einer der Herren entgegnete, das sei also und es fließe nahebei ein großer Bach, welchen man die Schelde nenne, aber an dem Orte, wo man pflege überzusetzen, liege ein Riese, der des Zolles wache, auf einem hohen Thurme, und alle, welche überfahren wollten, müßten ihre rechte Hand lassen oder mit dem Riesen fechten. Brabon jedoch hatte keine Furcht und antwortete, daß er lieber mit dem Riesen fechten wolle. Also kamen die Herren alle an die Schelde und begehrten überzufahren; aber einer von den Knechten des Riesen sprach, dann müßten[77] sie Zoll geben oder ihre rechte Hand da lassen. Doch Brabon sagte, er gäbe nimmer Zoll und wollte lieber mit dem Riesen fechten. Als der Knecht diese Rede vernahm, machte er einen großen Lärm mit einem Eisen, worauf der Riese, das hörend, sehr zornig und übermüthig von seinem Thurme stieg und fragte, wer also kühn sei, gegen ihn fechten zu wollen. Brabon erwiederte: »Ich allein«, und der Riese war deß geständig und sie begannen zu fechten. Das war aber ein gewaltiger Kampf, denn der Riese schlug harte Schläge, indem er ein starker Wigant war; doch am Ende ward er überwunden und Brabon schlug ihm zuerst die rechte Hand ab und dann auch das Haupt. Die Hand aber warf der Held bis zur Hälfte der Schelde, und so weit sie flog, so weit gehört die Schelde zu Brabant. Darauf ging Brabon in das nahe gelegene Münster, welches dem Mars heilig war, und dieß stand, wo jetzt das Michaelskloster steht, und da dankte er dem Gotte Mars für den errungenen Sieg; dann begab er sich wieder mit den Herren nach Gent. Wir müssen aber noch anmerken, daß die Straße, wo das Münster des Mars stand, davon später die Münsterstraße genannt wurde.

Julius war inzwischen in England gewesen, und als er von dort nach Flandern zurückkehrte, kam er in eine große Wildniß, welche voll von Räubern war, und diese erschlug er alle; das war aber da, wo jetzt Tourhout steht, und er gab dem Orte große Privilegien und Freiheiten. Gleich darauf kam Brabon zu Julius und erzählte demselben, wie er den Riesen an der Stelle, wo das Ried stand, erschlagen habe und alles Uebrige. Darob war Julius sehr erfreut und zog mit Brabon nach der Schelde und dem Thurme, und es behagte ihm dort so wohl und gefiel ihm dermaßen, daß er alsbald Werkleute entbot und eine Burg bauen ließ. Diese[78] heiligte er nach heidnisch römischer Weise und gab ihr viele Privilegien und Rechte und machte Brabon daselbst zu einem Markgrafen des heiligen römischen Reiches. Auch gab er ihm ein Wappen, und zwar eine silberne Burg und zwei Hände, und nannte den Ort von der geworfenen Hand Handwerpen.

Daher kommt es, daß die Herzoge von Burgund sich stets Markgrafen des heiligen römischen Reiches nannten.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 77-79.
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