Belohnte Mildthätigkeit.

[164] Es war einmal ein Schuhmacher, und der war sehr unfreundlich und böse und zankte immer mit seiner Frau und schalt auf Alle, die in sein Haus kamen. In derselben Stadt war auch ein König, dessen Frau ebenso böse war; Alle, mit denen sie zusammentraf, den König selbst, seine Dienerschaft und Alle, die nach dem Schlosse kamen, schrie sie an und Keinem gab sie ein gutes Wort. Einst kam auch ein Handwerksbursche, der durch die Welt wanderte, in das Schloß und bat die Königin um eine Gabe. Die Königin aber, statt ihm etwas zu geben, schrie ihn heftig an und schmähte ihn und drohte ihm, wenn er nicht gleich sich packte, würde sie ihn hinauswerfen lassen. Da ging der Handwerksbursche weiter und kam zu dem Schuhmacher, und der Schuhmacher war nicht zu Hause, nur sie. Er bat sie um eine Gabe, und sie erwiederte ihm: »Ja, ich werde dir einen Groschen geben, es ist zwar mein letztes Gröschchen, und ich werde dafür von meinem Manne wahrscheinlich Prügel bekommen, aber das schadet nichts; nimm das letzte Gröschchen.« Der Handwerksbursche war aber ein Schwarzkünstler, der durch seine Kunst auch zu bewirken wußte, daß die Menschen verwechselt wurden. Da machte er denn, daß die Frau des Schuhmachers Königin wurde und die Königin Schuhmacherfrau, und das geschah in der Nacht. Als die Königin erwachte, wälzte sie sich auf ihrem Lager hin und her und flucht und wettert über das Lager, denn es war ihr Alles so hart, und das Stroh stach und kratzte sie, daß sie nicht schlafen konnte. Der Schuhmacher hörte das auch, konnte aber nichts davon verstehen, weil sie deutsch sprach;48 und schrie sie ärgerlich an, sie sollte das Maul halten und ruhig schlafen. Des Morgens steht der Schuhmacher auf und fährt mit Schimpfreden über sie her, weil sie noch liegen bleibt. »Ei, den Pechdrahtmachen!« ruft er, »da liegt sie bis acht Uhr und denkt wohl gar, ich werde ihr den Pechdrahtmachen!« und prügelt sie zum Bette hinaus. Die Schuhmacherfrau, welche indeß im Schlosse genächtigt hatte, war beim Erwachen nicht wenig verwundert; da ist Alles so mäuschenstill, nur die Uhren picken; das Bette ist so weich, daß sie denkt, sie schwebe in der Luft; wie sie die Augen aufschlägt, sieht sie, daß eine Lampe die ganze Nacht gebrannt hat, und Alles war so schön in der Stube! Sie ist aber ganz still, rührt sich nicht einmal und schläft wieder ein. Des Morgens kommt das Stubenmädchen, ganz leise, ohne Schuhe nur auf Strümpfen (denn sie dachte nicht anders, als daß die böse Königin im Bette liege), tritt an das Bette und fragt: »Majestät, welche Kleider soll ich heute bringen?« Die Schuhmacherfrau war in der größten Verlegenheit, was sie sagen solle, weil sie doch nichts von den Kleidern der Königin wußte, und antwortete, um sich keine Blöße[165] zu geben: »Bringe mir dieselben Kleider, die ich gestern an hatte.« Die Schuhmacherfrau war aber von dem Pechdrahtmachen ganz schwarz im Gesicht. Das Stubenmädchen, welches das bemerkt hatte, sagte daher, als sie die Kleider holen ging, zu den andern Dienstmädchen: »Meine Lieben, unsere Königin haben sie heute Nacht in der Hölle gehabt, denn sie ist noch mit dem Theer beschmutzt; es hat ihr aber geholfen, sie ist viel sanfter geworden.« Die Königin steht denn nun auf, putzt sich aus und geht verwundert in den Stuben umher. Da kommt auch der König und sagt ihr ängstlich, wie er gewöhnt war: »Guten Morgen«; sie erwiedert den Gruß so freundlich, daß er ganz erstaunt ist und sie aus Freude über ihr verändertes Wesen, was lange nicht geschehen war, küßt. Nachher kam auch die Köchin und fragte, was sie zu Mittag kochen solle? Die Königin besinnt sich und besinnt sich; da ihr aber gar nichts beifällt – Grütze oder Kartoffeln, das konnte sie doch nicht sagen – so sagt sie zuletzt: »Koche dasselbe, was du gestern gekocht hast!« Alle wundern sich und freuen sich über die Sanftmuth und Güte der Königin. Da kommt sie auch in die Speisekammer und findet dort so viele Speisen, die sie nicht kennt, kostet aber von Allem. Nun werden sie denn auch spazierenfahren und der König läßt die schönsten Pferde vor den schönsten Wagen anspannen. Sie fahren durch die ganze Stadt und kommen auch an dem Hause des Schuhmachers vorbei. Da stürzt die eigentliche Königin aus dem Hause und schreit, sie sollten anhalten, sie sei die Königin, der König solle sie auf den Wagen nehmen. Da läßt der König den Schuhmacher an den Wagen treten und sagt zu ihm: »Wenn du eine verrückte Frau hast, so lasse sie nicht aus der Stube, Menschen anzufallen, oder gieb sie in ein Irrenhaus«, und fuhr nach Hause, und gab vor Freude, daß seine Frau so gut geworden war, einen großen Ball.

(Aus Klein-Jerutten)

48

Es darf wohl nicht erst erinnert werden, daß die Scene nach Masuren zu verlegen ist.

Quelle:
Toeppen, M.: Aberglauben aus Masuren, mit einem Anhange, enthaltend: Masurische Sagen und Mährchen. Danzig: Th. Bertling, 1867, S. 164-166.
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