Der neue Wagen holt sich auf der Münchener Ausstellung 1888 die Große Goldene Medaille

[92] Ich habe schon wiederholt in der Autoliteratur gelesen, daß auf der Münchener Gewerbe- und Industrieausstellung im Jahre 1888 zum erstenmal ein Kraftwagen öffentlich ausgestellt wurde und daß dieser Motorwagen ein Benzwagen war. Gewiß ist es ein Benzwagen gewesen, aber er war nicht zum erstenmal ausgestellt. Schon im Jahre 1887 hatte ich einen Wagen in Paris ausgestellt. Der Ausstellungsanfänger glich aber dem Veilchen, das im verborgenen blüht. Im verborgenen stand er nämlich unter den ausgestellten Pferdedroschken und niemand beachtete ihn. Das war nun freilich nicht seine, sondern meine eigene Schuld. Denn sein markantester Charakter war doch das »Selbstbewegliche«, und mit dieser Charaktereigenschaft konnte der »Pferdelose« am besten glänzen auf der Fahrt. Fahren hätte ich also den »Pferdelosen« lassen sollen. Und diese Unterlassungssünde rächte sich insofern, als die Ausstellung ohne Erfolg verlief.

München! Was in Paris versäumt wurde, das mußte in München unbedingt wieder gutgemacht werden. Ich ging daher zum Polizeihauptmann und bat ihn um die Fahrerlaubnis. Der macht erst große Augen und will von einem fahrenden »Selbstbewegli chen« nichts wissen. Ich versichere ihm, daß jede Gefahr ausgeschlossen ist. Trotzdem will er die Verantwortung nicht auf sich nehmen. Da packe ich ihn mehr als Mensch denn als Beamten an. Dieser selbstbewegliche Wagen ist für mich mehr als eine einfache Maschine, er ist die Verwirklichung all meiner Jugendhoffnungen und Erfinderträume. »Wollen Sie wirklich einer Erfindung, die[92] der Menschheit ein neues Verkehrsmittel schenkt, den Weg versperren?« frage ich. Nach langem Hin und Her bekam ich die inoffizielle Erlaubnis, während zwei Stunden des Tages in den Straßen Münchens herumzufahren. Die inoffizielle Erlaubnis! Das will heißen: Passiert kein Unglück, so will der liebenswürdige Polizeihauptmann drei Augen zudrücken und uns ungeschoren fahren lassen. Geschieht aber ein Unglück mit dem gefährlichen Wagen, so wird der gestrenge Polizeihauptmann von einer gegebenen Erlaubnis nichts wissen und mich unnachsichtlich zur Rechenschaft ziehen. Ich freute mich wie ein Kind über die kluge Taktik des Mannes und kutschierte jeden Tag frei und froh einige Stunden in München herum.

Hei! War das für die fremden Ausstellungsbesucher und die Münchener eine freudige Überraschung! Welch grenzenloses Staunen! Wie ein Wunder wurde der »Selbstbewegliche« begrüßt und umjubelt. Das Münchener Tageblatt vom 18. September 1888 schrieb darüber:

»Ohne eine bewegende Kraft durch Erhitzung von Dampf, oder wie bei den Velozipeden, rollte der Wagen ohne Umstände, alle Kurven nehmend und den entgegenkommenden Fuhrwerken und den verschiedenen Fußgängern ausweichend, dahin, verfolgt von einer großen Zahl atemlos nacheilender Leute. Die Bewunderung sämtlicher Passanten, welche sich momentan über das ihnen gewordene Bild kaum zu fassen vermochten, war eben so allgemein als groß. Der unter dem Sitz angebrachte Benzinmotor ist die treibende Kraft, die sich nach den mit eigenen Augen gesehenen wohlgelungenen Versuchen aufs beste bewährt hat.«[93]

Auch in der Welt der Techniker erregte der neue Benzinwagen großes Aufsehen. War er doch der erste seiner Art, der je auf einer deutschen Ausstellung sich zeigte. Der Erfolg übertraf alle Erwartungen: Der höchste Preis, den die Ausstellungsleitung zu vergeben hatte, fiel ihm zu. Ausgezeichnet mit der »Großen Goldenen Medaille« kehrte der Ausstellungsneuling wieder in seine Heimatstadt zurück.

Quelle:
Benz, Carl Friedrich: Lebensfahrt eines deutschen Erfinders. Die Erfindung des Automobils, Erinnerungen eines Achtzigjährigen. Leipzig 1936, S. 92-94.
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