Indisches Nashorn (Rhinoceros unicornis)

[513] Das Nashorn oder Einhorn, gewöhnlich indisches Nashorn genannt (Rhinoceros unicornis, Rhinoceros indicus, asiaticus und inermis), erreicht, einschließlich des 60 Centim. langen Schwanzes, 3,75 Meter Gesammtlänge, 1,7 Meter Schulterhöhe und etwa 2000 Kilogramm an Gewicht. Sehr kräftig und plump gebaut, zeichnet es sich vor seinen Verwandten aus durch den verhältnismäßig kurzen, breiten und dicken Kopf und die nur ihm eigene Abgrenzung der Schilder. Der Sattel zwischen der sehr steil abfallenden Stirne und dem bis 55 Centim. hohen, kräftigen, mit der Spitze mäßig zurückgebogenem Horne ist tief, aber kurz, die Unterkinnlade flach gewölbt, das Ohr lang und schmal, an seinem Rande bürstenartig mit kurzen Haaren bekleidet, das Maul groß, die Unterlippe breit und eckig, der rüsselförmige Fortsatz der Oberlippe kurz, der bis zur Kniekehle herabreichende, in der tiefen Afterfalte gewöhnlich größtentheils versteckte, beziehentlich sie deckende Schwanz an der Spitze von beiden Seiten her abgeplattet und hier ringsum zeilig behaart. Die großen, vorn gewölbten, unten scharf abgeschnittenen Hufe lassen die langgestreckte, herzförmig gestaltete, kahle, schwielige, harte Sohle zum größeren Theile frei. Die Geschlechtstheile sind sehr groß, die männlichen höchst sonderbar gebildet; das Euter des Weibchens enthält nur ein einziges Zitzenpaar. Eine ungewöhnlich starke Haut, welche viel härter und trockener als beim Elefanten ist und auf einer dicken Schicht lockeren Zellgewebes liegt, so daß sie sich leicht hin- und herschieben läßt, deckt den Körper und bildet einen in Schilde getheilten, hornartigen Panzer, welcher durch mehrere regelmäßig verlaufende, tiefe, bereits bei neugeborenen Thieren vorhandene Falten unterbrochen wird. An den Rändern dieser Falten ist die Haut wulstig aufgeworfen, in ihrer Mitte aber sehr verdünnt und weich, während sie sich sonst wie ein dickes Bret anfühlt. Hinter dem Kopfe zieht sich die erste starke Falte senkrecht am Halse herab, unten eine Querwamme bildend; hinter ihr steigt, von ihr schief nach oben und rückwärts, eine zweite Falte auf, welche anfangs sehr tief ist, gegen den Widerrist hin sich aber verflacht und verschwindet. Sie sendet unterhalb ihrer Mitte eine dritte Falte ab, welche sich schief vorwärts am Halse hinaufzieht. Hinter dem Widerriste zeigt sich eine vierte tiefe Falte, welche über den Rücken weg und beiderseits in einer bogenförmigen Krümmung hinter der Schulter hinabläuft, sich unten quer über das Vorderbein hinwegzieht und vorn um dasselbe herumschlingt. Eine fünfte Falte beginnt am Kreuze, steigt schief und vorwärts an den Schenkeln hinab, wendet sich in den Weichen um, richtet sich nach vorn und verschwindet dort, sendet aber vorher einen Zweig ab, welcher anfangs den Vorderrand des Hinterbeines umgibt, sodann sich wagerecht über das Schienbein zieht und zum After hinaufsteigt, von wo aus eine starke Wulst wagerecht über die Schenkel verläuft. Durch die beiden vom Rücken abwärts gerichteten Falten wird die Haut in drei breite Gürtel geschieden, von denen der erste auf Hals und Schultern, der zweite zwischen diesen und den Lenden und der dritte auf dem Hintertheile liegt; durch die Querfalten werden diese Gürtel, mit Ausnahme des mittleren, den Leib deckenden, in Schilde getheilt, und es bildet sich somit ein Schild im Nacken, eins auf jeder Schulter, eins auf dem Kreuze und eins auf jedem Schenkel. Die bis auf die angegebenen Stellen nackte Haut ist überall mit unregelmäßigen, rundlichen, mehr oder weniger glatten, hornartigen Warzenschilderchen bedeckt, welche auf der Außenseite der Beine so dicht zusammentreten, daß diese aussehen, als ob sie mit einem schuppigen Panzerhemde bekleidet wären, wogegen Bauch- und Innenseite der Beine durch mannigfach sich durchkreuzende Furchen in kleine Felder getheilt sind. Um die Schnauze ziehen sich Querrunzeln. Bei jungen Thieren brechen einzelne harte, dicke, borstenartige Haare hier und da hervor. Die Färbung ist verschieden, bei alten Thieren einförmig dunkelgraubraun, mehr oder minder ins Röthliche oder ins Bläuliche spielend. In der Tiefe der Falten ist die Haut blaßröthlich oder bräunlich fleischfarben. Staub, Schlamm und andere Einwirkungen von außen lassen das Kleid dunkler erscheinen, als es ist. Junge Thiere sind viel heller als alte.

Wie schon aus der von Albrecht Dürer herrührenden und von Geßner wiedergegebenen, ersten bekannten Abbildung des Nashorns hervorgeht, finden sich bei einzelnen alten Nashörnern [514] Hautwucherungen an verschiedenen Stellen des Leibes, welche mit dem auf der Nase sitzenden Horne eine größere oder geringere Aehnlichkeit haben. Zuweilen häufen sich diese Wucherungen in auffallender Weise. So lebt seit nunmehr sechzehn Jahren ein etwa achtzehn Jahre altes Nashorn im Thiergarten zu Antwerpen, bei welchem die Hauthörner sehr bemerklich sind. Veränderlich in Größe und Gestalt, gleichen sie sich doch darin, daß sie aus einer vollständig verhornten Hautmasse bestehen. Wie Mützel mir mittheilt, zeigte das Thier in diesem Jahre (1875) auf dem Kopfe wie auf allen bedeutenderen Erhebungen der Falten solche Hautwucherungen in ziemlicher Anzahl. Diejenigen, welche auf den Augenbrauenwülsten saßen, hatten nur Haselnußgröße, während alle übrigen viel augenfälliger waren. So trug das Thier auf den sehr stark hervorragenden Jochbeinen jederseits drei bis vier 2,5 bis 7 Centim. starke, abgeschliffene Hörner, auf jedem der von einer mächtigen, vor den Ohren liegenden Hautfalte bedeckten Scheitelhügel dagegen eine hornartige Wucherung und auf der obersten Krümmung der Kehlfalte ein ebenso dickes, mindestens 12 Centim. langes Horn, welches mit den daneben aufgewucherten Gebilden eine Pyramide darstellte. Die ganze Gruppe richtete sich nach hinten und war wie die meisten übrigen auf der vorderen Fläche abgeschliffen. Zwischen den Stirn- oder Scheitelhügeln bemerkte man ähnliche Wucherungen von Haselnußgröße, welche eine durch Abfallen eines derartigen Horngebildes entstandene Narbe von 4 Centim. Durchmesser umgaben. Von der Mitte des Halses erhoben sich fünf senkrechte Hörner, von denen das mittelste 8 Centim. an Höhe erreicht hatte. Aehnliche Gebilde fanden sich endlich auf der Höhe der Kreuzbeinfalte und am oberen Theile des Schwanzes. Die einen wie die anderen sind durchaus verschieden von den breiten, faltigen Warzen, welche die großen Seitenflächen des Nashorns bedecken. Ihre seitliche Oberfläche ist längs gerieft; die glatte Schliffläche hat horngelbliche Färbung. Nach Aussage des Wärters fallen diese Hautwucherungen von Zeit zu Zeit ab, und es entstehen dann Narben, welche denen an der Rosenstelle eines abgeworfenen Hirschgeweihes in gewisser Hinsicht ähneln.

Das Verbreitungsgebiet des Nashorns scheint auf die indische Halbinsel beschränkt zu sein.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Dritter Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Zweiter Band: Raubthiere, Kerfjäger, Nager, Zahnarme, Beutel- und Gabelthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 513-515.
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