Ararauna (Sittace Ararauna)

[114] Die letzte Art, welche ich erwähnen will, ist die Ararauna (Sittace Ararauna, Psitacus Ararauna und coeruleus, Ara, Arara und Macrocercus Ararauna). Alle oberen Theile nebst den Schwanzdecken sind dunkel himmelblau, die Halsseiten und alle Untertheile hoch orangefarben, ein Randstreifen, welcher Backen und Kinn einfaßt, endlich schwarz.


Hyacintharara (Sittace hyacinthina). 1/5 natürl. Größe.
Hyacintharara (Sittace hyacinthina). 1/5 natürl. Größe.

Das Auge ist grünlich perlgrau, die nackte Kopfseitenstelle bräunlich fleischfarben, der Schnabel schwarz, der Fuß bräunlich schwarz. Die Länge beträgt siebenundneunzig, die Fittiglänge vierzig, die Schwanzlänge zweiundfunfzig Centimeter. Das Verbreitungsgebiet stimmt mit dem der Arakanga überein.

Die Araras zählen zu den Charaktervögeln der Urwaldungen. Ebene, von Flüssen durchzogene Wälder bilden ihren bevorzugten Aufenthalt. Früher lebten sie in unmittelbarer Nähe auch der großen Städte; gegenwärtig haben sie sich vor der andringenden Bevölkerung längst zurückgezogen [114] und verschwinden da, wo Pflanzer den Urwald lichten, früher oder später. Einzelne Arten beschränken sich nicht auf den Wald, sondern finden sich ebenso in jenen trockenen, höheren Gegenden, welche von der Hitze des Sommers verbrannt sind, und auch in den wilden, felsigen Gebirgen der Provinz Bahia bildet ihr Geschrei die Unterhaltung der Reisenden. »Während man auf den Flüssen der Küstenwälder schifft«, sagt der Prinz, »erblickt man die stolzen Vögel und erkennt sie an ihrer Stimme, Größe und dem langen Schweife sogleich, wenn sie mit ihren großen, langen Flügeln schlagend langsam durch die hohe dunkelblaue Luft dahinrudern.« Die Reisenden pflegen von solchen, den Europäer im höchsten Grade fesselnden Erscheinungen gewöhnlich in übertriebenen Ausdrücken zu reden. So sagt Waterton, ein großartiger Anblick sei, tausende von Araras in hoher Luft dahinfliegen zu sehen, während der Prinz und alle übrigen gewissenhaften Beobachter behaupten, daß eine solche Menge wohl noch von niemand vereinigt gesehen worden sei.

»Die Lebensweise dieser schönen Vögel«, fährt der Prinz fort, »ist im allgemeinen nicht verschieden von der anderer Papageien. Am Mittage während der größten Hitze sieht man sie auf den unteren starken Aesten eines schattenreichen Baumes ausruhend sitzen. Der Hals ist eingezogen, und der lange Schweif hängt gerade herab. Jedoch wird ihre Thätigkeit schon nach ein paar Stunden der Ruhe wieder rege. Sie ziehen außer der Paarzeit in Gesellschaften nach verschiedenen Früchten umher, die mehrerer Palmenarten, des Sapucajabaumes und anderer aufsuchend, an deren steinharten Schalen sie die Kraft ihrer gewaltigen Schnäbel zu versuchen pflegen. So laut sie sich gewöhnlich hören lassen, so verhalten sie sich doch nach Art aller Papageien still, sobald sie einen Baum mit ihnen angenehmen Früchten entdeckt und sich hierauf niedergelassen haben. Hier erkennt man alsdann ihr besonders durch das Herabfallen der zerbissenen Fruchthülsen. In vielen Gegenden fanden wir sie namentlich in der kalten Jahreszeit mit der Aufsuchung der Frucht einer gewissen rankenden Pflanze beschäftigt, welche man dort Spinha nennt. Sie kletterten sehr geschickt an den verworrenen Ranken dieser Gewächse herum und waren alsdann dort leichter zu schießen als gewöhnlich. Die weißen Samenkörner dieser Frucht füllten ihren ganzen Kropf an, und zu anderen Zeiten fanden wir ihren Schnabel von gewissen Früchten blau gefärbt.

Levaillant sagt in seiner Naturgeschichte der Papageien, daß die Araras stumpfsinnige Vögel seien, welche den Schuß des Jägers nicht fürchteten; ich muß aber aus eigener Erfahrung bekennen, daß man in den menschenleeren Wäldern von Brasilien, wo diese Thiere sehr zahlreich sind, sie für die scheuesten und listigsten Vögel hält.«

Daß die Ansicht der Brasilianer berechtigt ist, beweisen die Gefangenen, welche zu uns gelangen. Man müßte blind sein, wenn man ihre höheren Begabungen verkennen wollte. Die Lebhaftigkeit und Regsamkeit vieler ihrer Verwandten geht ihnen allerdings ab; jedoch würde man ihnen Unrecht thun, wenn man sie als träge oder unbehülflich bezeichnen wollte. Im Vergleiche zu anderen Sittichen erscheinen sie als ruhige, bedächtige und ernste Vögel: Entwickelung der Sinne und Verstand aber kann ihnen nur derjenige absprechen, welcher sie nicht beobachtet hat. Auch sie gewöhnen sich leicht, leichter vielleicht als viele an dere Papageien, an veränderte Umstände, gehen, ich will mich so ausdrücken, auf die Wünsche und Eigenheiten des Menschen ein, fügen sich zwar nicht jeder, aber doch einer sanften und verständigen Behandlung und machen nur dann von ihrer bedeutenden Kraft Gebrauch, wenn man sie reizt. Mit ihresgleichen leben sie in innigstem Verbande, mit anderen unschädlichen Vögeln oder Thieren in tiefstem Frieden. Ihr Wesen macht sie, wie ich schon an anderen Orten gesagt habe, angenehm und liebenswerth. Sie sind nicht allein gutmüthige und anhängliche, sondern auch gegen den Gatten und ihre Brut und ebenso dem geliebten Pfleger gegenüber hingebend zärtliche Vögel.

Wenn Araras auf einem Baume sitzen und fressen, schweigt gewöhnlich die ganze Gesellschaft; höchstens lassen sie leise Laute vernehmen, welche einer menschlichen Unterhaltung nicht unähnlich sind. Ihre kreischende Stimme hört man immer dann, wenn sie beunruhigt sind oder wenn sie fliegen; am lautesten schreien sie, wenn der Jäger sich leise herangeschlichen und durch einen Schuß [115] die sorglos fressende Bande erschreckt ist. Dann erheben sie ein Geschrei, welches geradezu betäubend werden kann. Sie sind es, auf welche Humboldt die oben mitgetheilten Worte bezieht: ihr Geschrei ist es, welches das Brausen der Bergströme übertönt. Die laute Stimme selbst ist ein sehr rauher, ziemlich einsilbiger Laut, welcher mit der Stimme unserer Rabenkrähe Aehnlichkeit hat. Der Prinz sagt, daß man sie nicht durch die Silben »Aras« oder »Arara« wiedergeben könne; Burmeister dagegen versichert, Arara oder Aras auch aus dem Geschrei der Freilebenden herausgehört zu haben, und ich meinestheils kann ihm, soweit es sich um Gefangene handelt, nur zustimmen.

Ursprünglich auf die Früchte, Nüsse und Sämereien der Bäume des Urwaldes angewiesen und auch wohlbefähigt, mit ihrem gewaltigen Schnabel selbst die steinharten Schalen verschiedener Palmennüsse zu zertrümmern, erscheinen doch auch die Araras dann und wann als unliebsame Gäste in den Pflanzungen des Menschen. Wie so viele andere fruchtfressende Vögel des Urwaldes ziehen sie außer der Paarzeit reisenden Früchten nach, und bei dieser Gelegenheit mag es geschehen, daß sie ihre Wanderungen bis über die Grenzen des Urwaldes ausdehnen und plündernd in Feldern und Obstpflanzungen einfallen. Schomburgk schildert ihre Raubzüge in sehr anschaulicher Weise. »Finden sie ein reifes Feld, so werden rundherum auf den nächsten Bäumen Wachen ausgestellt. Das sonst immerwährende Lärmen und Gekreisch der rauhen Stimmen ist verstummt; nur hin und wieder hört man einen halb unterdrückten knurrenden oder murrenden Laut. Nähert sich der plündernden Gesellschaft ein verdächtiger Gegenstand, so läßt augenblicklich die Wache, welche diesen zuerst bemerkt hat, einen leisen Warnungsruf erschallen, welchen die Räuber, um jener anzuzeigen, daß er gehört worden ist, mit halb unterdrücktem Krächzen beantworten. Sowie die Gefahr dringender wird, fliegt die Wache unter lautem Aufkrächzen von ihrem Posten auf, und mit ihr zugleich erhebt sich die plündernde Herde unter wildem Geschrei, um ihr Heil in beschleunigter Flucht zu suchen.«

Wie alle Papageien, sind auch die Araras sehr treue Gatten. »Im Monat April des Jahres 1788«, erzählt uns Azara, »jagte Manuel Palomares eine Meile von der Stadt Paraguay, schoß eine Arara und befestigte sie am Sattel seines Pferdes. Der Gatte des Vogels folgte dem Jäger bis zu seinem, mitten in der Hauptstadt gelegenen Hause, stürzte sich dort auf seinen todten Genossen, verweilte mehrere Tage an derselben Stelle, und ließ sich endlich mit Händen greifen. Er blieb sodann als Gefangener in dem Hause.« Aehnliche Mittheilungen erhalten wir auch von anderen Forschern, welche Araras im Freien beobachteten. Die Gattenliebe ist bei ihnen so ausgeprägt, daß man sagen darf, zwei gepaarte Araras leben nur sich und ihrer Brut. Die gerühmten Zwergpapageien können gegen einander nicht zärtlicher sein als diese großen Vögel. Immer sieht man Männchen und Weibchen zusammen, und selbst wenn ihrer mehrere fliegen, kann man, wie bei anderen Papageien auch, die einmal verbundenen Paare unterscheiden. Diese gegenseitige Anhänglichkeit ist eine den Brasilianern so wohlbekannte Thatsache, daß sie der Jäger benutzt, um mehrere aus einem Fluge zu erlegen. Denn wenn einer herabgeschossen wurde, erscheint sofort der überlebende Gatte bei ihm, um sich über die Ursache des Trauerfalles aufzuklären, und sein Geschrei lockt dann auch wohl andere desselben Fluges herbei.

»In der Paarzeit«, erzählt Prinz von Wied weiter, »pflegen die Araras den Brutort oder Stand wieder aufzusuchen, welchen sie sich einmal erwählt haben, wenigstens dann, wenn sie daselbst nicht beunruhigt worden sind. Man sieht sie somit lange Jahre hindurch an einer und derselben Stelle. Sie wählen, um ihr Nest anzulegen, immer einen hohen Waldbaum von gewaltigem Umfange, an welchem ein hohler Ast oder eine eingefaulte Oeffnung sich befindet, die sie dann mit ihrem starken Schnabel bis zu der gehörigen Weite öffnen. Hier legt das Weibchen zwei weiße Eier, wie die meisten Arten der Papageien.« Die Eier stehen einem Hühnereie an Größe wenig nach, sind ungleichhälftig, stumpf zugespitzt, nach dem dicken Ende sanft zugerundet und zeigen ein zartes Korn mit dichten, runden, mäßig tiefen Poren. Ob nur das Weibchen brütet oder dann [116] und wann auch vom Männchen abgelöst wird, konnte bisher noch nicht festgestellt werden. Letzteres scheint mir glaublich, mindestens nicht unwahrscheinlich zu sein. Der lange Schwanz wird, wie Schomburgk angibt, beim Brüten zum Verräther, indem er weit aus der Oeffnung hervorragt. Nach Azara's Versicherung verliert das Paar sein Nest nicht aus dem Auge und trägt deshalb abwechselnd Atzung zu. Wenn sich jemand naht, verräth es große Unruhe. Die Jungen schreien nicht nach Futter, sondern drücken ihr Begehren dadurch aus, daß sie mit dem Schnabel gegen die Wandung ihrer Nesthöhle klopfen. In ihrer ersten Jugend sind sie, wie alle Papageien, überaus häßlich und unbeholfen; aber auch nach dem Ausfliegen verlangen sie noch lange Zeit die Obhut und Pflege der Eltern. Die Eingeborenen pflegen sie auszunehmen, bevor sie ihr volles Gefieder erhalten haben; dann werden sie sehr zahm.

Gefangene Araras scheinen von jeher Lieblingsthiere der Indianer gewesen zu sein. »Mit reger Theilnahme«, sagt Humboldt, »sahen wir um die Hütten der Indianer zahme Araras, welche auf den Feldern umherflogen wie bei uns die Tauben. Diese Vögel sind eine große Zierde der indianischen Hühnerhöfe; sie stehen an Pracht den Pfauen, Goldfasanen, Baumhühnern und Hockos nicht nach. Schon Columbus war die Sitte aufgefallen, Papageien, Vögel aus einer dem Hühnergeschlecht so fern stehenden Familie, aufzuziehen; und gleich bei der Entdeckung Amerikas hatte er beobachtet, daß die Eingeborenen auf den Antillen, statt Hühner, Araras oder große Papageien essen.«

Etwas gefährliches bleibt es immer, Araras um sich zu haben; denn nur zu oft gebrauchen sie ihren fruchtbaren Schnabel in unerwünschter Weiße. Doch gibt es einzelne, welche sehr zahm werden. Mein Vater sah einen dieser Vögel in dem Arbeitszimmer des Prinzen von Wied. Die Arara hatte volle Freiheit, in den Gemächern umherzufliegen, hielt sich aber gern in der Nähe ihres Gebieters auf, ließ sich von diesem ruhig ergreifen, auf der Hand im Zimmer umhertragen und streichelte ihm mit ihrem gefährlichen Schnabel die Wangen in zärtlicher Weise. Fremde Besucher sah sie mit den kleinen lebhaften Augen so scharf an, daß es den Anschein hatte, als wolle sie sich deren Gesichtsbildung merken und die Züge tief einprägen. Ich habe mehrere gepflegt, welche kaum weniger zahm wurden, jedoch keinen einzigen kennen gelernt, welcher, wie Kakadus, gegen alle gleich freundlich sich bezeigte. Araras unterscheiden scharf zwischen Bekannten und Fremden, beweisen ihrem Pfleger Anhänglichkeit, zeigen sich Fremden gegenüber jedoch oft launisch und selbst tückisch, verlangen daher immer eine vorsichtige Behandlung. Der Wärter wird freudig begrüßt und darf sich alles mit ihnen erlauben; anderen gegenüber nehmen sie gewöhnlich eine zornige Miene an, indem sie die Kopffedern sträuben und den Schnabel in verdächtiger Weise bewegen.

»Was aus einer Arara werden kann«, schreibt mir Linden, »beweist mir eine Ararauna, welche jetzt zu meinen Lieblingsvögeln zählt. Ich bekam sie als einen scheuen, betäubend schreienden, bissigen Vogel, welchem ich selbst das nöthige Futter nur mit List beibringen konnte, um nicht währenddem von ihm gebissen zu werden. Eine Hungerkur, wie unverständige Pfleger wohl anrathen, nahm ich selbstverständlich nicht vor, weil ich erfahrungsmäßig wußte, daß Güte viel eher zum Ziele führt als derartige Maßregeln. Und in der That haben gute Worte und liebvolle Behandlung meiner Arara bald alle früheren Unarten abgewöhnt. Berühren der Schwanzfedern kann sie zwar auch jetzt noch nicht leiden; dagegen läßt sie sich gern Streicheln ihres Kopfes gefallen und streckt dabei nicht selten ihre große fleischige Zunge seitwärts zum Schnabel heraus, gleichsam, als wolle sie damit die ihr gespendete Liebkosung erwidern. Einmal hatte sie einen tüchtigen Schnupfen und infolge dessen verstopfte Nasenlöcher, welche ich ihr mit einer Feder reinigte; diese Maßnahmen schien ihr offenbar Erleichterung zu verschaffen; denn sie verfehlte nicht in der unter Papageien üblichen Weise ihre Zufriedenheit zu äußern. Muthwillige Streiche mancher Art läßt sie sich freilich fortwährend zu Schulden kommen. An der Thüre ihrer Behausung war die Schließfeder zu schwach. Sie erkannte dies bald, untersuchte und fand, daß das Schloß aufsprang, wenn sie hinten die Thüre in die Höhe drückte. Nunmehr verließ sie sofort [117] ihr Gebauer, flog im Vogelhause umher und spielte den Holzkäfigen übel mit. Endlich kam ich der Sache auf den Grund und änderte den Verschluß. Hierüber war sie anfänglich höchst verdrießlich, vergaß aber nach und nach die Angelegenheit und wurde im Verlaufe der Zeit so artig, daß ich sie jetzt herauslassen darf, ohne Muthwillen befürchten zu müssen. Sie bleibt einfach auf der Thüre sitzen, und wenn ich ihr sage: ›geh wieder in dein Haus!‹ gehorcht sie sogleich. Von einem großen Wassertopfe macht sie fleißig Gebrauch, um sich zu baden. Hatte ich ihr denselben früher leer in den Käfig gestellt und nicht sogleich gefüllt, so wurde der Topf sofort entzweigeschlagen, wogegen dies andernfalls niemals geschah. Beim Schlafen saß sie selten auf der Stange, sondern hielt sich mit Schnabel und Füßen am Gitter fest; oft auch scharrte sie sich den Sand zusammen und legte sich platt auf den Boden nieder. Anfänglich glaubte ich, daß ihr etwas fehle. Sie wurde aber sehr aufgebracht, wenn ich versuchte, sie vom Boden wegzujagen und beweis mir dadurch, daß sie jede Störung übel vermerkte. Seitdem ließ ich sie gewähren. Ihre Behausung ist so gestellt, daß sie den ganzen Garten vor sich hat und alle Wege übersehen kann. Infolge dessen hat sie sich zum Wächter und Warner meiner ganzen Papageiengesellschaft aufgeschwungen. Wenn ein Hund oder eine Katze des Weges kommt, verfehlt sie nie, dies mit einem eigenthümlichen Aufschrei anzuzeigen. Ihre Nachbarn, Kakadus und Amazonen, wiederholen den Warnungsruf, und es tritt dann plötzlich eine so tiefe, minutenlange Stille ein, daß man nicht zweifeln kann, die Warnung sei von jedem anderen Vogel vollkommen verstanden worden.«

Araras lernen selten so gut sprechen wie andere Papageien, entbehren jedoch durchaus nicht aller Begabung hierzu. »Meine Arara«, schreibt Siedhof meinem Vater, »hat eine große Befähigung zum Sprechen entwickelt und zwar unter der alleinigen Leitung meiner zahmen Elster, welche sehr gut spricht. Mehr als vier Monate nach dem Empfange war die Arara bis auf das entsetzliche Schreien vollständig stumm. Da mußte ich sie einst an eine andere Stelle bringen, wo sie meiner unaufhörlich schwatzenden Elster gegenüber hing. Sie hatte dort gerade zehn Tage gehangen, als sie begann, der Elster alles nachzusprechen. Jetzt ruft sie meine Kinder mit Namen und lernt so gleich, was man ihr noch vorsagt; nur hat sie das eigene, daß sie regelmäßig bloß dann spricht, wenn sie allein ist.« Auch die vorstehend geschilderte Ararauna hat sprechen gelernt, ohne von ihrem Pfleger unterrichtet worden zu sein. Hierüber berichtet mir Linden: »›Guten Tag, Aras‹, ist jetzt das erste des Morgens, wenn der Vogel mich sieht. Früher kam es ihm nicht darauf an, zu jeder Tagestunde so zu grüßen; gegenwärtig bringt er seinen Gruß mit der Zeit vollständig in Einklang. ›Jakob ist ein Kakadu, nein, ein Papagei, ein Spitzbub. Polly, guter Polly komm zu mir.‹ Gebe ich ihm eine Feige, ein Stückchen Apfel, so verzehrt er es mit dem Ausspruche: ›Das ist gut, gelt Jakob.‹ Bei einem Stückchen Zucker dagegen sagt er ›Das ist ganz gut‹ und bekräftigt den Ausspruch noch außerdem mit verschiedenen Kopfbewegungen. Für Darreichen seines gewöhnlichen Futters gibt es keinen Dank, im Gegentheile oft einen Hieb, wogegen er bei Leckereien solchen niemals austheilt. Das auf dem Boden seines großen Kastenkäfigs stehende Futtergeschirr wurde von ihm oft umgeworfen und hin- und hergeschleppt, was ich ihm mit den Worten ›Keine solche Dummheiten machen‹ verwies. Jetzt sagt er, wenn er in die alte Gewohnheit verfällt, selbst ›das sind Dummheiten‹, und wenn ich ihm das Geschirr wegnehme, tröstet er sich, indem er mit dem Schnabel im Sande hin- und herstreicht, und sagt dazu mitunter ›Gelt, Dummheiten‹. Dem oben erwähnten Amazonenpapagei, welcher sehr deutlich und mit vielem Ausdrucke spricht ›Laura, du hast ja Augen wie Perlen; mein Schätzchen, was willst du noch mehr‹ hat er dieses abgelauscht, verwechselt jedoch noch oft Worte und Satzstellung.«

Zweckmäßig gepflegte Araras erreichen in Gefangenschaft ein hohes Alter. Azara verbürgt ein Beispiel, daß eine vierundvierzig Jahre in einer und derselben Familie lebte, zuletzt aber altersschwach wurde und schließlich nur gekochten Mais zu verdauen vermochte. Einer Angabe Bourjots zufolge soll im Jahre 1818 ein Pärchen Araraunas, welches in Caen gefangen gehalten wurde, auch genistet haben.

[118] Die Jagd der Araras wird von Eingeborenen und Weißen mit gleichem Eifer betrieben; auch der europäische Jäger schätzt sich glücklich, wenn ein wohlgezielter Schuß ihm den herrlichen rothen Vogel in die Hände liefert. »Vorsichtig«, sagt der Prinz, »und von dem dichten Gebüsche oder den Stämmen gedeckt, schleicht sich der Jäger an ihre Gesellschaften heran und erlegt dann zuweilen mehrere von ihnen auf einen Schuß. Ihre laute Stimme, welche, wie bemerkt, immer gehört wird, wenn sie fliegen oder beunruhigt sind, macht gewöhnlich den Jäger aufmerksam. Man erlegt sie mit schwerem Blei, da man meistens in die Wipfel der höchsten Waldbäume nach ihnen schießen muß. Verwundet klammert sich der Vogel mit seinem starken Schnabel und seinen Klauen oft fest an die Zweige an und bleibt noch eine Zeitlang in dieser Stellung. Erhält der Jäger aber die ersehnte Beute, so gibt sie ihm eine erwünschte Speise. Das Fleisch kocht gleich dem Rindfleische und ist an alten Vögeln hart, in der kalten Jahreszeit oft sehr fett, gibt aber, eine kräftige Brühe. Die schönen Federn werden vielfältig benutzt; jeder Jäger, welcher eine Arara erlegte, wird seinen Hut mit schönen rothen und blauen Schwung- und Steuerfedern zieren. Die Brasilianer gebrauchen die Schwungfedern zum Schreiben, viele Stämme der Wilden alle übrigen zum Putze. Die bunten Schwungfedern nehmen sie am liebsten zur Befiederung ihrer Pfeile, und noch heutzutage schmücken sich viele von ihnen mit dem Prachtgefieder. Ehemals arbeiteten die jetzt wenigstens in einem gewissen Grade gebildeten Stämme der Lingoa geral mancherlei Putzgegenstände aus solchen Federn, welche sie in hohlen mit Wachs verklebten Büchsen bis zum jedesmaligen Gebrauche aufbewahrten. Die Tupinamben an der Ostküste, welche den von mir bereisten Strich bewohnten, begingen das Fest eines zu erschlagenden oder zu verzehrenden gefangenen feindlichen Kriegers auf feierliche Art. Der Todtschläger, welcher die Keule führte, war mit einem gewissen Gummi und darauf über und über mit kleinen Ararafedern beklebt. Auf dem Kopfe trug er eine Krone von den Schwanzfedern dieser schönen Vögel. Ararafedern waren bei diesen Wilden das Zeichen des Kriegers. Heutzutage noch lieben die Völker jenen ebenso natürlichen als schönen Putz, von dessen Gebrauch die Jesuiten nur nach langen Anstrengungen die jetzt entwilderten Küstenstämme entwöhnten.«


*


Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 114-119.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Hannibal

Hannibal

Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon