[586] Eine der bekanntesten Arten der Familie ist der Bündelnister (Anumbius frontalis, Sphenura frontalis, Anabates und Phacellodomus rufifrons, Malurus garrulus), Vertreter einer gleichnamigen Sippe, deren Kennzeichen in dem kurzen, stark zusammengedrückten, ziemlich geraden, nur an der Spitze sanft herabgebogenen Schnabel, den hohen und starkläufigen Füßen, abgerundeten Flügeln und dem aus schmalen, weichen, an der Spitze breiteren und zugerundeten Federn bestehenden Schwanze liegen. Das Gefieder der Oberseite ist hellbräunlich olivengrau, das der Unterseite blaßbräunlich weißgrau; die Stirne dunkel rostbraun, ein Streifen über dem Auge weiß; die Schwungfedern sind graubraun, mit blaßröthlichem Schimmer auf der Vorderfahne. Das Auge ist aschgrau, der Schnabel oben dunkel horngraubraun, unten weißlich horngrau, der Fuß blaßbläulich hornfarben. Die Länge beträgt 17, die Fittiglänge 6, die Schwanzlänge 7 Centimeter.
»Dieser niedliche Vogel«, sagt der Prinz von Wied, »ist mir in den großen Küstenländern nie vorgekommen, und ich habe ihn bloß in den inneren, höheren, von der Sonnenhitze ausgetrockneten Gegenden des Sertong der Provinzen Geraës und Bahia gefunden, wo er die offenen, mit Gebüschen abwechselnden Gegenden bewohnt und behend von einem Baume oder Strauche zu dem anderen fliegt und hüpft. In der Lebensweise ähnelt er den verwandten Arten, und namentlich scheint er dem rothäugigen Baumsteiger (Anabates erytrophthalmus) nahe zu stehen.« Von letzterem bemerkt der Prinz folgendes: »Er gehört zu jenen Vögeln der geschlossenen Waldung, welche man von fern an ihrer sonderbaren, aus einigen immer gleichartig modulirten Tönen bestehenden, lauten Stimme erkennen kann. Ich hielt mich in einer verlassenen Hütte im Urwalde mehrere Tage auf und hörte nun beständig in den hohen, von den mannigfaltigsten Schlinggewächsen verflochtenen Waldstämmen, welche die niederen Büsche umgaben, die sonderbare, aus sechs Tönen bestehende Stimme eines Vogels, den ich nicht kennen zu lernen vermochte, bis mir der Zufall endlich günstig war. Dieser Vogel lebt in den dichten, hohen Urwaldungen, in der Brütezeit gepaart, im übrigen Theile des Jahres familienweise. Eine solche Familie wohnte nahe bei uns, und ich konnte sie vollkommen beobachten. In der mit niederen Gebüschen bedeckten Pflanzung standen einige alte, hohe Stämme mit stark belaubter Krone, welche bei der Urbarmachung dieses Fleckens der Zerstörung entgangen waren. Von einem dieser Bäume hing an einer langen, dünnen Schlingpflanze ein Bündel von Reisig herab, welches das Nest dieser Vögel war. In dieses sahen wir sie täglich einschlüpfen. Am Tage durchstrichen sie gemeinschaftlich die benachbarten Waldungen und ließen dabei beständig ihre laute, sonderbare Stimme vernehmen. Sobald der Abend herankam, hörte man die Familie sich nähern und sah nun die Vögel einzeln hinter einander von Ast zu Ast hüpfen, alsdann aber zwei von ihnen, wahrscheinlich die beiden Jungen, schnell an das hängende Nest fliegen und einkriechen. Sie pflegten hier, obwohl sie schon vollkommen erwachsen waren, regelmäßig zu übernachten. Wenn sie sich im Neste befanden, konnte man mit einem starken Pfeile mehreremale gegen dasselbe schießen, bevor sie es verließen. Sowie der Tag anbrach, verließen sie ihren Aufenthalt wieder, ließen sogleich im hohen Walde ihre Stimme hören und antworteten sich gegenseitig. Sie scheinen muntere Vögel zu sein und sich sehr zu lieben, da sie sich beständig antworten und am Abende vereinigen. Sie hüpften mit kurz eingezogenen Füßen auf den Zweigen umher, ihren langen, gewöhnlich unordentlich bündelförmig ausgebreiteten Schwanz ein wenig aufgerichtet, denselben auch wohl bewegend, stiegen in allen Richtungen an den Schlingpflanzen hin und her, gewöhnlich hüpfend und seitwärts, also nicht nach Art der Spechte. Den Magen fand ich mit Kerbthieren angefüllt.«
»Das Nest des Bündelnisters«, fährt unser Gewährsmann fort, »fand ich in der Mitte des Februar, und zwar wiederholt immer an niederen, schlanken Seitenästen mittelmäßig hoher Bäume. Dieses Nest bildet einen länglichrunden, großen Bündel von kurzen, zum Theil halbfingerdicken [586] Reisern, welche auf mannigfache Art quer durch einander gefilzt und auf einander gehäuft sind. Ihre Wände stehen sämmtlich nach allen Seiten unordentlich hinaus, so daß man das ganze, welches zuweilen einen Meter lang und noch länger ist, kaum angreifen kann. Die Reischen sind sämmtlich mit verschiedenartigen Bindestoffen zusammenbefestigt. Nahe am Grunde oder dem unteren, herabhängenden Ende hat der Vogel einen kleinen, runden Eingang.
Er steigt alsdann inwendig aufwärts und hat nun in dem äußeren, großen Reisigbündel das eigentliche Nest von Moos, Wolle, Fäden, Bast und dürrem Grase recht dicht zusammengewebt. Reißt man den äußeren, großen Reisigbündel auseinander, so findet man darin die eben beschriebene, kleine, rundliche, oben geschlossene Nestkammer, in welcher der Vogel sehr weich, warm und sicher sitzt. Er vergrößert alljährlich sein Nest, indem er immer in der nächsten Paarzeit rings um den schlanken Zweig herum auf den vorjährigen Reisigbündel einen neuen setzt und darin sein kleines Moosnest erbaut. Die sonderbaren Gebäude sind zum Theil so schwer, daß ein Mann sie kaum schwebend zu halten vermag. Oeffnet man den merkwürdigen Bau, so findet man zuoberst jedesmal das neue Nest und unter ihm eine Reihe von alten, die oft vom Männchen bewohnt werden.« Swainson,[587] welcher das Nest zuerst beschrieb, versichert, daß es der Landschaft ein bestimmtes Gepräge verleiht. Das Gelege besteht aus vier rundlichen, reinweißen Eiern.
*
Buchempfehlung
1587 erscheint anonym im Verlag des Frankfurter Druckers Johann Spies die Geschichte von Johann Georg Faust, die die Hauptquelle der späteren Faustdichtung werden wird.
94 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro