Seewolf (Anarrhichas lupus)

[133] Der Seewolf (Anarrhichas lupus, strigosus, pantherinus, maculatus, leopardus, minor und Karrak, Lupus marinus) soll eine Länge von zwei Meter erreichen; in den südlicheren Meeren findet man jedoch nur selten Stücke, welche mehr als einen Meter messen. Der Obertheil des Kopfes, die Seiten, der Rücken und die Flossen sehen braungelb, die unteren Theile weißgrau aus; Rücken- und Afterflosse sind neun- bis elfmal gebändert und, wie der ganze übrige Leib, außerdem dunkel gepunktet. In der Rückenflosse befinden sich vierundsiebzig, in der Brustflosse zwanzig, in der Afterflosse sechsundvierzig, in der Schwanzflosse sechzehn Strahlen.

Schon im nördlichen Schottland gehört der Seewolf nicht eben zu den Seltenheiten; an den deutschen, dänischen und norwegischen Küsten findet er sich hier und da; um Island, an der grönländischen und lappländischen Küste ist er gemein, verbreitet sich auch von hier aus durch die Behringsstraße bis in den nördlichen Theil des Stillen Meeres. Nach Art seiner Familienverwandten hält er sich auf dem Boden, am liebsten auf felsigem Grunde auf, hier in Felsspalten auf Beute lauernd oder solche von den Felsen abreißend. Der Haupttheil seiner Nahrung besteht nämlich in Krustern und Muscheln, deren Panzer und Schalen sein fürchterliches Gebiß ohne Mühe zertrümmert. Wahrscheinlich stellt er auch verschiedenen Fischen nach; denn er schwimmt, obschon mit schlängelnder Bewegung, immerhin schnell genug, um den einen oder anderen seiner Klassenverwandten einzuholen. Während des Winters lebt er in den tieferen Gründen des Meeres; im Mai oder Juni nähert er sich den flacheren Küsten, um zu laichen. Einige Monate später sieht man seine grünlich gefärbten Jungen in ziemlicher Anzahl zwischen den Seetangen.


Seewolf (Anarrhichas lupus). 1/10 natürl. Größe.
Seewolf (Anarrhichas lupus). 1/10 natürl. Größe.

Es ist nicht das fürchterliche Gebiß, welches dem Seewolf seinen Namen verschafft hat, sondern die ingrimmige Wuth, welche er an den Tag legt, sobald er sich bedroht sieht. Der Ausdruck der Augen hat etwas tückisches, und das Wesen entspricht dem Anscheine. Gefangen, geberdet sich dieser Fisch wie rasend, tobt in den Netzen umher, versucht sie zu zerreißen und beißt mit schlangenartiger Gewandtheit nach jedem Gegenstande, welcher ihm vorgehalten wird. Die Fischer nehmen sich wohl in Acht, ihn mit den Händen [133] zu fassen, sondern greifen, sobald sie merken, daß sich eines dieser bitterbösen Thiere gefangen, sofort zum Ruder oder zum Handspieße, um es so rasch wie möglich vom Leben zum Tode zu bringen. Entgegengesetzten Falles zappelt der Seewolf noch halbe Tage lang im Boote umher; denn auch er kann ohne Schaden lange Zeit außerhalb des Wassers verweilen und behält seine Wuth, so lange er lebt.

Nach Neills Versicherung bringt man zu Edinburg oft kleinere Wolfsfische auf den Markt und findet willige Käufer für sie, weil diejenigen, welche ihren Abscheu vor dem häßlichen Fische überwunden haben, das Fleisch als trefflich rühmen. Auch die Nordländer essen dieses, jedoch nur, nachdem sie den Seewolf vorher enthäutet. Der Geruch soll keineswegs einladend sein, beim Kochen jedoch mehr oder weniger verschwinden. Aus der Haut bereitet man Beutel oder Fischleim.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 133-134.
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