Schan (Pholis laevis)

[135] Geßner nennt die Schleimfische Seelerchen; wir sind also berechtigt, diesen Namen zu verwenden und bezeichnen mit ihm eine der eben beschriebenen Gruppe sehr verwandte, von ihr eigentlich nur durch den Mangel der häutigen Anhängsel verschiedene Sippe oder Untersippe (Pholis). Als Vertreter dieser Abtheilung mag der Schan oder die Schleimlerche (Pholis laevis, Blennius und Adonis pholis) gelten, ein im Mittelmeere und Atlantischen Weltmeere häufiger, auch an den britischen Küsten keineswegs ungewöhnlicher Fisch von funfzehn Centimeter Länge und [135] höchst veränderlicher, nach dem Grunde und anderen Zufälligkeiten sich richtenden Färbung. Von mehr als zwanzig, welche Montagu zu gleicher Zeit untersuchte, fand er nicht zwei vollkommen übereinstimmende; einige waren zierlich mit rothbraunen Flecken gezeichnet, andere einfarbig, andere gänzlich ungemustert, andere gleichfarbig dunkel oben und unten. Im allgemeinen kann man jedoch sagen, daß der Leib auf grünlichem Grunde braun gefleckt und gemarmelt ist. In der Rückenflosse zählt man einunddreißig, in der Brustflosse dreizehn, in der Bauchflosse zwei, in der Afterflosse neunzehn, in der Schwanzflosse elf Strahlen.

Da dem Schan die Schwimmblase fehlt, hält er sich, laut Couch, nur auf dem Grunde des Wassers auf und erwählt sich einen passenden Stein oder Felsblock, in dessen Spalten er Zuflucht findet vor Raubvögeln und ihm feindlichen Fischen, freilich mit Ausnahme der Scharben, deren langer Greifschnabel ihn auch aus seinen Versteckplätzen hervorzuziehen weiß. Wenn das Meer ebbt, sammeln sich viele dieser Fische zwischen den Steinen oder in kleinen Pfützen; die älteren unter ihnen verlassen das Wasser auch wohl gänzlich und kriechen mit Hülfe ihrer Brustflossen über weite Strecken weg, merkwürdig rasch und gewandt entsprechenden Höhlen zu, je einer in eine, und erwarten hier die Rückkehr der Flut. Werden sie entdeckt oder gestört, so ziehen sie sich mit einer eigenthümlichen Bewegung ihres Leibes in den hinteren Theil der Höhlung zurück. Schon Montagu beobachtete, daß sie außerordentlich lebenszähe sind und tagelang außerhalb des Wassers auf feuchtem Sande oder in nassem Moose und Grase leben können; Couch bestätigt diese Angaben und versichert, in einer ganz trockenen Büchse derartige Fische über dreißig Stunden lang am Leben erhalten zu haben. Dagegen wird ihnen Süßwasser verderblich; sie sterben binnen wenigen Minuten, nachdem sie in solches gebracht wurden. Fast scheint es, als ob es Bedürfnis des Schan sei, zeitweilig auf trockenem Grunde zu liegen. Ein gefangener, welchen Roß in einem mit Seewasser gefüllten Goldfischglase hielt, wurde nach einigen Stunden außerordentlich unruhig und warf sich wiederholt über die Oberfläche des Wassers empor. Dies bewog den Beobachter, einen größeren Stein in das Glas zu legen, so daß ein Theil desselben die Oberfläche des Wassers überragte. Augenblicklich hüpfte der Schan zu diesem trockenen Theile empor und verweilte hier mehrere Stunden. Durch wiederholte Beobachtungen erfuhr Roß, daß der gefangene Fisch genau die Gezeiten einhielt, das heißt sich mit Beginne der Ebbe auf seinen Stein begab und mit Eintritt der Flut wieder ins Wasser verfügte. Nach Greatwoods Beobachtungen bemerkte man den Farbenwechsel des Schan bei dieser Ortsveränderung sehr deutlich. Im Wasser sieht er blaßbraun aus; nachdem er jedoch eine Zeitlang in der Luft gelegen hat, wird die Färbung dunkler, und es erscheint eine Reihe weißer Flecke längs der Seitenlinie.

Die langen und kräftigen Schneidezähne befähigen den Fisch, Muscheln und andere Weichthiere, seine eigentliche Nahrung, von den Felsen loszulösen; doch scheint er auch andere freischwimmende Thiere nicht zu verschonen, weil gefangene eine stets rege und vielseitige Eßlust zeigten. Einer, welchen Guyon hielt und ungefähr ein halbes Jahr beobachtete, verschlang mit gleicher Gier Weichthiere, Spinnen, Tausendfüße, Käfer, überhaupt jedes sich bewegende Thierchen und außerdem Fleisch von Säugethieren und Vögeln.

In einer Hinsicht erinnert der Schan an die Schollen und bezüglich an die Chamäleons; er bewegt nämlich jedes seiner Augen unabhängig von dem anderen in den verschiedensten Richtungen.

Die Laichzeit fällt in den Hochsommer. Unser Fischchen wählt sich eine kleine Höhlung in Felsen aus, gewöhnlich eine solche, welche etwas über der niedrigsten Flutmarke liegt, und legt hier seine halbrunden, glänzenden, bernsteingelben Eier ab, welche sehr bald ausschlüpfen.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 135-136.
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